Ernte

Das kommt davon

06.10.2018

Das meiste verdanke ich anderen Menschen. Meiner Mutter zum Beispiel. Waren wir Kinder trostbedürftig, ist sie mit uns die Sperrmüllhaufen in der Nachbarschaft abgefahren. Immer haben wir etwas gefunden, woraus sich etwas machen ließ. Ein rostiges Tretauto! Während ich alte Farbreste abschliff, nähte sie einen Sitzbezug. Fortan fuhr ich: Ein blaues Kettcar mit Kuhfell. Ihr verdanke ich den Glaubenssatz „Es gibt immer eine Lösung“. Gesagt hat sie ihn nie; sie hat ihn uns bloß vorgelebt.

Oder mein Vater. Der hat immer darauf bestanden, Jesus nicht vorschnell einzugemeinden ins eigene Leben oder ins kirchliche System. Sondern den Wanderprediger - wenigstens erstmal - als befremdliches Gegenüber zu würdigen. Ihm verdanke ich den heilsam distanzierten Blick auf Kirche als Betrieb und auf die jeweilige Kultur, in die sie sich bettet.

Oder mein Erdkundelehrer. Ahnungsloses Fabulieren seiner Schüler quittierte er mit einem verschmitzten Grinsen (verlief es nicht von links unten nach rechts oben über sein ganzes Gesicht?), und er fragte uns nur: „Ist das wirklich so?“ Seitdem frage ich mich das dauernd. Ihm verdanken Generationen von Schüler*innen eine lebenslange Imprägnierung gegen Leichtgläubigkeit und einen Hang zur Penibilität.

Und so weiter und so fort. „Kannst du die Dankbarkeit in meinen Augen seh´n?“ fragt der Refrain des Monatslieds. Auch das kleine Apfelbäumchen gehört dazu; es trug mehr Äpfel, als wir im Winter werden essen können. Ich habe es vorgefunden. Der Kaffee, den ich gerade nebenher schlürfe. Das Handy, das daneben liegt und gerade ein update lädt. Alles Erträge, für die andere im Schweiße ihres Angesichtes gearbeitet haben. Unter welchen Bedingungen eigentlich?

Merken, was woher kommt. Und sich zu fragen, wen das was gekostet hat. Beides gehört für mich zu Erntedank. Wie Nehmen und Geben.


Johannes Ahrens, Stadtpastor Flensburg


P.S.: Der Erntedanksong „Das Leben ist ein Geschenk“ findet sich als Musikvideo unter www.monatslied.de Vorsicht, Ohrwurm!