
Gedanken zur Woche: "Diese Zeit gehört mir"
06.12.2016
Gedanken zur Woche von Pastorin Karin Emersleben, Reformationsbeauftragte im Sprengel Schleswig und Holstein
18 Minuten und 25 Sekunden. So lange dauern 4 Lieder von meiner diesjährigen Lieblings Weihnachts-CD. 18 Minuten und 25 Sekunden – die Zeit gehört mir. Ich nehme sie mir einfach. Ich stelle mich in die Küche, CD in das Gerät – und trinke eine Tasse Tee. Ich könnte auch Kartoffeln schälen, tue ich aber nicht, das Essen kommt heute exakt 18 Minuten und 25 Sekunden später auf den Tisch.
Das Handy klingelt, eine Mail klopft leise an, ein Text muss warten, ich habe gerade meine 18 Minuten und 25 Sekunden. Und ich weigere mich, auch nur eine Note von den Liedern dem Alltag preiszugeben. Die Mail wird beantwortet, ich rufe zurück, der Text wird fertig, aber eben 18 Minuten und 25 Sekunden später.
Ich sitze im Auto auf dem Parkplatz. Noch 2 Lieder, ich werde zur Sitzung nicht zu spät kommen, aber doch sehr pünktlich.
Diese kleine Zeremonie – sie gelingt mir nicht jeden Tag, aber die Tage, an denen ich meine 18 Minuten und 25 Sekunden zelebriere, sind eindeutig die besseren Tage. Es sind die adventlichen Tage, die Tage an denen ich freundlicher, fröhlicher und ausgeglichener bin. Es sind die getrösteten Tage. 18 Minuten und 25 Sekunden sind mein Bollwerk gegen den medialen Wahnsinn, gegen Ungerechtigkeit und Krieg, gegen Niedergeschlagenheit und Trostlosigkeit. 18 Minuten und 25 Sekunden lösen nicht die Probleme, aber sie verschaffen mir Zeit, mich neu auszurichten. Ich mache nichts - aber es macht etwas mit mir.
Es ist ein wenig wie in unserem ersten Adventlied im Gesangbuch: “O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat. Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König zieht ein. Er ist die rechte Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn. Gelobet sei mein Gott, mein Tröster früh und spat.“
18 Minuten und 25 Sekunden. Kein Du-musst, kein Du-sollst, kein Fliehen und kein Hetzen.