
Gedanken zur Woche: "Fingerzeiger"
24.03.2018
Gedanken zur Woche von Pastor Dr. Kai Hansen, Kirchengemeinde Haddeby
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich hab den Eindruck, so viel hat sich gar nicht geändert, seitdem. Jetzt am Palmsonntag hören wir, wie die Menschen damals Jesus feiern: als den, der mit dem Establishment aufräumen wird, als kommenden starken Mann und als Retter der – naja: zumindest der eigenen Phantasien. Und keine Woche später schreit dieselbe Menge „Kreuzige ihn!“. Tiefer Fall eines Hochgelobten. So schnell kann es gehen. Nur war der Shitstorm damals noch nicht virtuell, sondern ganz handgreiflich.
Fingerzeigen ist drin im Menschen, scheint’s – und ein gewisses Ausblenden auch, bei all der Aufregung über den Skandal: Wie kann facebook es wagen, seine Geschäftsidee zu verwirklichen – mit den Daten, die ich ihm frei zur Verfügung gestellt habe? Was für eine Schweinerei, das mit dem Plastik in der Schlei – wir dachten doch, bei uns sei alles sauber und ordentlich, und das ist doch ganz bestimmt nicht mein Plastik? Schlimm, dass man Diesel-Fahrverbote überhaupt erwägen muss – aber soll mein Kind zur Schule etwa den Bus nehmen oder gehen? Da muss doch jemand schuld sein – also: jemand anderes!
Ach, ließen sie doch alle mal das Geschrei und wären gelegentlich einfach mal still.
Ich weiß nicht, wie unangenehm es Jesus war, als Popstar gefeiert zu werden – vielleicht haben sie ihn gar nicht zu Wort kommen lassen, und das mit dem Eselsritt hatte er sich auch anders vorgestellt. Aber es heißt, als er gesagt hat „Wer unter Euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“ (auf die Ehebrecherin, da sei es sehr still geworden. Niemand hat mehr geschrien, niemand mehr auf andere gezeigt.
Diese Zeit vor Ostern, Passions- und Fastenzeit – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Ich mag sie – Zeit zum Überdenken, Kritisieren, Hinterfragen, und nicht zuletzt mich selbst.