Foto: Thomas Pantléon

Gedanken zur Woche: "Geh' denken"

27.01.2018

Gedanken zur Woche von Pastorin Silke Wierk, Harrislee

„Och, schon wieder Holocaust“, womöglich reagieren die zehnten Klassen so, wenn es um das Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus geht. Nach dem Motto: „Wir wissen doch schon alles“. Und manch zweifelhafter Politiker fordert lieber gleich: „Schlussstrich ziehen!“

Dabei ist Erinnern, biblisch verstanden, nie rückwärts gerichtet. „Einen Fremdling sollst du nicht bedrücken! Ihr wisst, wie es den Fremden zumute ist; denn Fremde wart ihr selbst in Ägypten“, heißt es im 2. Buch Mose. Gedenken hat also mit „Geh denken!“ zu tun.

So ist klugen Lehrkräften mit ihren Klassen der Duborgschule und Zentralschule wieder Beeindruckendes gelungen. Beide Schulen haben vor zwanzig Jahren ein Denkzeichen gebaut an der deutsch-dänischen Grenze, am ehemaligen Harrisleer Bahnhof. Dem Ort, von dem Menschen in die Konzentrationslager deportiert wurden. Erinnerung braucht rituelle Orte. Seither übernehmen die jeweils 10. Klassen die Patenschaft. Sie setzen sich mit dem Leid der Menschen damals auseinander. Und ziehen Parallelen ins Heute.

Das Thema Nationalsozialismus bewegt nämlich noch immer, weil es so monströs ist und unbegreiflich. „Mamma mia!“, haben sie gesungen, und dass sie es hätten besser machen wollen. Und dann stellt sich eine Klasse einfach vor, mit Namen und Herkunftsland. Ein Mädchen erzählt, dass sie Jesidin sei, Christin, deren Angehörige vom IS so grausam verfolgt wurden. Ihre beste Freundin, Kurdin und Muslima, nimmt sie schützend in den Arm: Wie wenig selbstverständlich ist das!

Nein, wir sollen nicht aufhören zu gedenken; die Älteren müssen es den Jüngeren in die Ohren legen. Trotzdem können wir den Jüngeren nicht vorschreiben, wie sie der deutschen Geschichte zu gedenken haben. „Wir sind die neue Generation“, sagen sie zu Recht. Aber wenn die Taten, der organisierte Massenmord von damals, so sehr berühren, dass Jugendliche sich klar gegen Ausgrenzung und Terror gegenüber Andersdenkenden stellen, mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen.