
Gedanken zur Woche: Lebendiges Wasser?
26.12.2017
Gedanken zur Woche von Johannes Ahrens, Stadtpastor in Flensburg
Ist es der aparte rote Stern auf dem Etikett der grün schimmernden Flasche? Oder das unerreicht ausgewogene Perlen der Kohlensäure? Für „San Pellegrino" hätte ich weiterhin jede noch so gute Flasche Wein stehengelassen. Im Glas schön anzuschauen rinnt es mit dem exakt richtigen Prickelfaktor die durstige Kehle hinab. Dieses Wasser war mein Lieblingsgetränk. Bislang. Jetzt nicht mehr.
Denn die Marke gehört - zusammen mit anderen bekannten Mineralwassersorten wie „Fürst Bismarck“, „Perrier“, „Vittel“, „Pure Life““ und „Poland Spring“ - dem Nestlé-Konzern. Seit 2006 bildet das „Rohmaterial“ H2O (so reden die wirklich) erklärtermaßen den Kernpunkt der Unternehmensstrategie. Kein Wunder: Nirgendwo ist die Gewinnmarge höher; kein anderes Lebensmittel derart unentbehrlich. Bevor der Mensch verhungert, verdurstet er.
„Nestlé ist ein Raubtier auf der Suche nach dem letzten sauberen Wasser dieser Erde“, sagt Maude Barlow, ehemalige UN-Chefberaterin für Wasserfragen. Das Abpumpen großer Wassermengen in Afrika, Indien oder den USA senkt den Grundwasserspiegel immer weiter ab. Die kleinen Brunnen der kleinen Leute trocknen aus.
„Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ So stellt man sich schon seit biblischen Zeiten den Himmel auf Erden vor. Es ist die Jahreslosung für 2018. Von diesem Traum sind wir noch immer weit entfernt.
Der freie Zugang zu Wasser aber ist ein menschliches Grundrecht. Genau das hat der Chef des Schweizer Weltunternehmens, Peter Brabeck-Letmathe, in einem aufsehenerregenden Interview ausdrücklich infrage gestellt. Ein Alarmsignal. Es zeigt, was passiert, wenn man der Gier freien Lauf lässt.
Manche Fragen lassen wir mit dem alten Jahr hinter uns; andere bleiben. Was sind unveräußerliche Güter der Allgemeinheit? Strom, Wasser, Bücherhallen? Ein bedingungsloses Grundeinkommen? Was hingegen kann ruhigen Gewissens privatisiert werden? Wer braucht was? Und hat - ohne Gegenleistung - Anspruch darauf?
In Zukunft gibt´s bei mir Leitungswasser. Das hat keinen Nachgeschmack.