Foto: Karin Emersleben

Gedanken zur Woche: "Schöne Lieder ausgesucht ..."

28.04.2018

Gedanken zur Woche von Pastorin Karin Emersleben, Reformationsbeauftragte im Sprengel Schleswig und Holstein

Bei der Krippencurrende halte ich manchmal durch bis „Ich steh an Deiner Krippen hier.“ Dann wird es eng und ich wühle nach Taschentüchern. Ebenso bin ich zuverlässig am Heulen beim Messias und beim Weihnachtsoratorium, je mehr Chor, desto mehr Taschentuch. Früher waren mir die Tränenströme peinlich, heute denke ich: Ich habe die Karte bezahlt – und ich brauche und darf das jetzt. Dieses durchspülen der Seele tut mir gut. Oder wie es Reinhard Mey sagt: „Gib mir Musik, um mir ein Feuer anzuzünden. Um die dunklen Tiefen meiner Seele zu ergründen. Meine Lust und meine Schmerzen, Narben, die ich mir selbst verschwieg. Gib mir Musik.“

So war das auch bei der Beerdigung meiner Mutter. Jedes Wort konnte ich gut hören, ohne von der Trauer weggespült zu werden. Aber als wir gemeinsam sangen, da brachen die Dämme. Es war traurig und tröstlich zugleich. Die singende Gemeinde, ob nun im Gottesdienst oder bei Trauerfeiern, Hochzeiten und anderen Anlässen, sie ist unersetzlich. Sie ist der unperfekte Engelschor.

Und wenn sich Menschen am Ende eines Gottesdienstes mit den Worten verabschieden: “Sie haben heute schöne Lieder ausgesucht!“, heißt es nicht gleich, dass die Predigt schlecht war. Sondern es heißt: Ich war dabei. Ich habe mitmachen können. Wir – Gott und ich – haben uns in diesem Gottesdienst gut unterhalten. Denn nichts anderes ist nach Martin Luther ein Gottesdienst, als dass Gott uns mit seinem Wort anspricht und wir mit Gebet und Lobgesang antworten.

Am nächsten Sonntag ist „Kantate“ zu Deutsch „Singet“. Kantate erinnert uns daran, dass die singende Gemeinschaft ein wesentlicher Bestandteil unserer Gottesdienste ist. Und so wäre es doch schön, wenn viele morgen nach dem Gottesdienst nach Hause gehen und denken oder sagen: „Schöne Lieder ausgesucht! - Schöne Lieder gesungen!“