
Wort zur Woche: "Die andere Seite des Lebens"
22.02.2020
Wort zur Woche von Pastor Hans-Christian Gerber, Kirchengemeinde Husby
Jetzt geht es richtig zu Sache. Die Hochburgen der Karnevalsfeiern sind im Ausnahmezustand. Eine fünfte Jahreszeit geht dem Höhepunkt am Rosenmontag bzw. am Fastnachtsdienstag entgegen. Völlig verkleidet erscheinen bekannte und unbekannte Menschen in den Sitzungssälen oder auf den Straßen. Sie feiern ausgelassen und kollektiv. Und sie feiern im deutlichen Wissen: "Am Aschermittwoch ist alles vorbei..." Aber was feiern sie eigentlich
Ich denke, dass wir Menschen gerne eine andere Seite des Lebens feiern: die freie und ungezwungene. Einmal alles Belastende versuchen hinter sich zu lassen. Und sich von einer feiernden Menge mittragen zu lassen. Der Alltag kommt schon von ganz alleine zurück, der Aschermittwoch mit der häufig brutalen Wirklichkeit gibt jedem Feiern eine Grenze.
"Alles hat seine Zeit", so heißt es im Buch der Prediger, "weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit" (Prediger 3, 4) Der Mensch wendet sich einmal der Klage zu und dann wieder der Freude. Mit dem Feiern ist die Trauer nicht weggewischt und mit dem Trauern die Freude ebenfalls nicht. Die jeweils andere Seite des Lebens ist dann für eine Zeit nur zugedeckt.
Auch wenn ich diese Tage als Norddeutscher vielleicht ganz anders erlebe, finde ich es gut, dass es beide Seiten gibt: die farbenfrohe und die eher düstere, die fröhlich-laute und die traurig-leise. Und in allem sehe ich auch mein jeweils anderes Gesicht, das ich selber besitze. Für unser inneres, aber auch für unser gesellschaftliches Gleichgewicht ist es wichtig, beides auszuleben. So gilt: Auch wenn Sie nicht Karneval feiern: Feiern Sie gut und schenken Sie der schweren Seite Ihres Lebens auch eine leichte. Gott mag sie, wenn sie nicht andere verletzt!