
Wort zur Woche: "Erinnert Euch!"
09.11.2019
Wort zur Woche von Pastor Kai Hansen, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Haddeby
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe es ja abrufbar parat: das Trabbi-Klopfen am Grenzübergang, die blauen Zweitakter-Wolken in Lübeck, die allgemeine Seligkeit. Kurz und präzise: „Wahnsinn!“. So war er, mein 9. November vor 30 Jahren. Ich erinnere mich genau, farbig und leibhaftig – das hat sich eingebrannt und eingeprägt. Wie bei viel Älteren die Flucht oder der Krieg. Wobei: Menschen heute können auch davon erzählen, in Farbe und leibhaftig… So was tragen wir mit uns, lebenslang. Gut, wenn wir erzählen – Reden hilft!
Findet man auch in der Bibel: „Vergiss nicht!“, „Höre!“, „Sagt es weiter!“ – nichts ist offenbar weniger selbstverständlich als das Erinnern, und nichts schleicht sich schneller ein als Vergessen und Verdrängen.
Jede Gruppe fragt sich ja: Welche Erinnerung halten wir wach? Was dürfen wir nicht vergessen? Die Deutschen erinnern sich an ihrem heutigen Schicksalstag (na ja…) an die Grenzöffnung 1989, aber auch an die Pogrome 1938, an den Putsch 1923 und an die Ausrufung der Republik 1918. Obwohl kaum ein Augenzeuge noch lebt. Seltsam. Aber Christen erinnern sich ja auch ständig – nicht nur „Alle Jahre wieder“! – an Gottes Geschichte mit seinem Volk, vor allem an die Geschichte Jesu: Die halten sie wach; aus ihr gilt es zu lernen – auch wenn ja niemand live dabei war. Mag sein: Jesus ist vital genug…
Aber Sich-Erinnern ist mehr als sich nur ein paar Geschichtsdaten zu merken. Sich-Erinnern heißt, sich Menschen oder Ereignisse zu Herzen gehen zu lassen, sich mit ihnen innerlich in Beziehung zu setzen. Und dann hat Sich-Erinnern Folgen: Wir positionieren uns heute. Handeln entsprechend. Wissen, wohin wir gehören. Schätzen wert, wie es heute ist: „Wahnsinn!“ Wählen konsequent. Machen beizeiten den Mund auf. So was.
Also, erinnert Euch!