
Wort zur Woche: "Ganz ehrlich"
23.06.2018
Wort zur Woche von Pastorin Anja Stadtland, Kirchengemeinde Adelby in Flensburg
Wir essen Schokolade. Auf Brot, als Riegel, in der Milch. Und sammeln. Wir tun, was wir können. 37 Sammelpunkte kleben schon. Bei 90 gibt’s was richtig Tolles. Darum essen wir, während Jogis 11 tut, was sie kann: Körper und Geist fit macht, trainiert für das Sommermärchen „reloaded“. Es könnte sich wiederholen, noch ist alles drin: Euphorie und Wogen des Glücks und der Begeisterung.
Ganz ehrlich: Ich finde Fußball langweilig. Auf Bundesliga-Samstage kann ich verzichten. Mein Herz kommt nicht in Wallung, wenn die eine Mannschaft auf- und die andere absteigt. Fußball-Politik versetzt mich in ungläubiges Staunen. Werte eines Spielers in Millionen auszudrücken, ist mir fremd.
Ganz ehrlich: Ich finde Fußball toll. Und zwar dann, wenn sich diese besondere WM-Stimmung im Land ausbreitet. Wenn es Hoffnung gibt und Glück, unsere Spieler vorn dabei sind. Die Fahnen auf den Autos, die ich lange albern finde, der schwarz-rot-goldene Nagellack, der „Deutschland-Schnulli“, sie wandern aus der Kommerz-Ecke direkt in mein Wohlfühlzentrum. Die Jungs spielen, sie gewinnen, sie machen uns glücklich. Menschen, die sich nicht kennen, kommen ins Gespräch. Der Abteilungsleiter ist ungewöhnlich gut gelaunt. Fußball zaubert ein Lächeln auf das Gesicht der Nation – ein Zustand wie frisch verliebt. Wir sind Feuer und Flamme.
Ganz ehrlich: Ich finde Fußball zu spannend. Heute muss es klappen. Ich schaue nicht hin, fange an zu bügeln, gehe schlafen. Was, wenn es vorbei ist? Weil Müller nicht trifft, Neuer nicht hält, Özil vom Platz muss. Wenn es ein Strohfeuer ist. Kurz und heiß und aus. Ich fürchte die Enttäuschung, die Traurigkeit, das „Das war's“. Keine Sammelpunkte mehr. Alles aus und vorbei.
Ganz ehrlich: Ich gehe heute Abend zum Johannis-Fest. In der fast kürzesten Nacht des Jahres werden Flammen gen Himmel steigen im Andenken an Johannes, den Täufer, der Jesus den Weg bereitet hat. Er war sich sicher, dass eine neue Zeit anbricht, dass Jesus die Welt verändern wird mit der Kraft der Liebe und der Weite des Geistes. Nach Jesu Tod saß seine Enttäuschung tief. Alles aus und vorbei. Ein Strohfeuer. Doch Jesus ließ ihn seine Wunden spüren, mitleiden, auferstehen: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt wird nicht wandeln in Finsternis sondern wird das Licht des Lebens haben.“