
Wort zur Woche: "Normalzustand"
04.01.2020
Wort zur Woche von Johannes Ahrens, Stadtpastor in Flensburg
Ich kann nix dafür. Irgendwas glaubt in mir. Krabbelt immer wieder in mir hoch und nagt an meinem Zweifel, dieses Glaubensdings da. In solchen Momenten bin ich plötzlich sicher: es geht gut aus. Mit dir. Mit mir. Mit uns. Einfach mit allem. Dass sich das ganze Durcheinander rundherum sortieren wird. Und dass da draußen jemand ist. Der hinguckt. Die da ist. Irgendwie. Irgendwo. Überall und nirgends.
Dann spüre ich: Es ist nicht schlimm, sich lächerlich zu machen. Wohl aber, es nicht probiert zu haben. Und ich fange an zu kapieren, dass die anderen ihre Gründe haben. Und Tiere eine Seele. Dass wir für Bewegung gemacht sind. Dass es ohne Vergebung nicht geht. Dass die Alten Respekt verdienen. Und die Jungen erst recht. Dass die Sterne und das Universum ein Rätsel sind. Genau wie die Ameise. Oder die Liebe. Einfach nur zum Staunen. Dass der Tod nicht das Ende, sondern ein Übergang ist. Und wir uns alle wiedersehen werden. Dann wächst mir die Kraft zu, Ruhe zu bewahren und weiterzumachen. Einfach nicht aufzugeben. Trotz alledem.
Ist schon ein merkwürdiges Tierchen, dieser Glaube. Soll sogar Berge versetzen können, sagt Jesus. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ bittet ihn der Vater eines angeblich unheilbaren Kindes. Das wird mein Gebet in 2020.
P.S.: Ungläubig sind immer nur die anderen. So denken Fundamentalisten gleich welcher Couleur, eben Rechtgläubige. Der Ausruf des buchstäblich verzweifelten Vaters pulverisiert derartige strong opinions, bringt alte Gewissheiten ins Fließen. Demnach wäre Unglaube der menschliche Normalzustand - und Glaube nur dessen aktuelle Überwindung. Glaubwürdigkeit ist keine christliche Kategorie. Bedürftigkeit schon.