
Wort zur Woche: "Tränen der Erleichterung"
15.07.2019
Wort zur Woche von Pastorin Kerstin Popp, Kirchengemeinde Schuby
„Gestern gab´s Zeugnisse. Weißt du, was das heißt?“ – „Na klar. Gleich können wir uns wieder eine Lobeshymne auf Hannas Enkelkind anhören.“ Und so geschah es. Kaum hatte Hanna ihre beiden wartenden Freundinnen erreicht, erzählte sie ihnen strahlend von dem überaus tollen Zeugnis ihrer Enkelin, während ihrer gesamten Nordic-Walking Tour. Hanna hielt auch dann nicht auf, als sie nach dem Wohlergehen ihres Mannes gefragt wurde und wie denn ihre Italienreise so verlaufen sei.
Schnell hatte sie diese Fragen beantwortet, um dann zu den außergewöhnlichen Leistungen ihrer Enkelin zurückzukehren. Am Ende der Tour ließ Hanna ihre beiden Freundinnen mit einem fröhlichen Winken zurück. Beide schauten sich an. „So kann es nicht weitergehen. Warum in aller Welt kann sie nur von diesem einen Thema sprechen? Mir geht das sowas von auf die Nerven!“ – „Du hast recht. Wenn wir wirklich Freundinnen sind, müssen wir jetzt ehrlich und aufrichtig sein. Wir müssen Hanna darauf ansprechen.“
Und so geschah es. Eine Woche später nahmen sich die beiden ein Herz und beschrieben ihrer Freundin in ruhigen Worten, was Sache ist. Nachdem Hanna ihnen mit einiger Überraschung zugehört hatte, hielt sie inne, und brach dann in Tränen aus. Zuerst aus Scham. Aber dann entluden sich Tränen der Erleichterung. Man hatte sie endlich gesehen, hatte sie aufgedeckt, die alte Not in ihrem Herzen. Und ja, den Neid auf ihre Enkelin, der mühelos alles gelingt, was ihr selber verwehrt blieb. „Mädchen müssen nichts lernen“, pflegte ihr Vater zu sagen. Da hatte sie Zuflucht genommen in einer frühen Ehe. Von all dem erzählte Hanna auf dem ganzen Weg – man mochte sich danach noch lange nicht trennen. Der Tag war schön wie lange nicht mehr. Und alle drei spürten, was eine gute Freundschaft doch ausmacht.