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Wort zur Woche: "Unantastbare Würde?"

14.07.2018

Wort zur Woche von Pastor Christoph Tischmeyer, Kirchengemeinden Thumby-Struxdorf und Tolk

Was ist nur mit unserem Land los? Was mit unseren Politikern? Haben sie ihren inneren Kompass verloren? Seit zwei Jahren jagt eine Asylrechtsverschärfung die nächste. Nicht nur die Linie unseres Innenministers setzt auf pure Abschreckung und Ausgrenzung. Von der Integration derer, die mit Recht Schutz bei uns suchen, redet kaum noch einer.

In Bayern werden Kreuze in Behörden aufgehängt. Aber auch das ist nur gedacht als Demonstration des Stärkeren gegenüber dem, was uns fremd bleiben soll. Eine absurde Umdeutung der Kreuzzeichens, das doch immer noch für die Sache Jesu steht: Mitgefühl, Nächstenliebe, tätige Hilfe.

Das Nachkriegs-Europa hat sich nicht zuletzt aus Schutt und Asche erhoben auf der Grundlage der Charta der Menschenrechte von 1948: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Diese Worte gingen 1949 auch in den 1. Artikel unseres Grundgesetzes ein: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser Satz steht da, auch wenn er an keinem Tag seit 1949 für alle Menschen eingelöst wurde. Er bleibt aber die Messlatte, an der wir uns und unser politisches Entscheiden und Handeln ausrichten sollen.

Gott jedenfalls sieht nicht auf die Hautfarbe, auf das Bankkonto, auf den Zweireiher. Er lässt sich nicht beeindrucken von unseren Maskenspielen. „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“ (1. Sam 16,7).

Wenn aber das Herz aus lauter Verblendung und Angst, oder aus bloßem Kalkül, eng und hart wird, ist es in Gefahr, zum steinernen Herzen zu werden. Dann wird es Zeit, um ein neues Herz zu bitten. Gottes Angebot, uns ein neues Herz zu geben, uns mit einem neuen Geist auszustatten, steht (Hesekiel 36,26).

Dafür braucht es nur eine kleine innere Bewegung, die wir am besten mit dem schönen alten Wort Demut bezeichnen können. Es ist eine Abkehr von dem Hochmut, der uns regiert. Wir im reichen Norden können nicht jahrhundertelang die südliche Halbkugel nach Gusto ausbeuten, dazu noch ganze Waffenarsenale und -fabriken in die halbe Welt verkaufen, ohne irgendwann mit den Folgen konfrontiert zu werden. Eine sichtbare Folge ist, dass viele Menschen Afrikas und der Levante ihr Elend hinter sich lassen wollen - oder müssen. „Denn etwas Besseres als den Tod finden wir überall“, sagte schon der gar nicht so dumme Esel im Märchen von den Bremer Stadtmusikanten. Viele von uns würden in vergleichbarer Situation auch auf die große Reise gehen. Allerdings hat sie mit „Asyltourismus“ rein gar nichts zu tun.