Foto: Johannes Ahrens

Wort zur Woche: "Unverschämtheit"

26.10.2019

Wort zur Woche von Johannes Ahrens, Stadtpastor in Flensburg

„Willst Du gesund werden?“ Für die Frage hätten Sie Jesus doch auch eine geknallt, stimmt´s? Zumal nach 38 Jahren Bettlägerigkeit. „Was denn sonst?“, läge einem da doch mindestens als Gegenfrage auf der Zunge.

Eine der biblischen Lesungen in den Gottesdiensten an diesem Sonntag handelt vom Langzeiterkrankten am Teich Betesda; der wartet darauf, dass sich was bewegt. „Ich habe niemanden“, lautet sein Mantra. Niemanden, der mich abholt. Niemanden, der mir zuhört. Niemanden, der mich trägt.

Haben Sie auch „niemanden“? Jesu Spezialität: Sehen, was los ist und Fragen fragen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist unverschämt und provozierend im ursprünglichen Sinne; das befreit von Scham und lockt hervor die Sehnsucht, die sich unterwegs klammheimlich in die hinterste Ecke Deiner Seele verkrochen hatte: Dass alles ganz anders sein könnte.

Wenn genesen soll, woran wir kranken - ob persönlich oder gesellschaftlich - bedarf es Menschen, die provozieren und locken. Menschen, die bereit sind, Salz zu sein. Die uns vom Sofa holen und aus der Comfortzone locken. “I know you are trying - but just not hard enough. Sorry.” beschied Greta Thunberg kürzlich den Abgeordneten des US-Kongresses. „Ich weiß, ihr seid stets bemüht - nur genügt das einfach nicht.“

„Innovationsforschung und Bibel sind sich darin einig: Es sind die Unbequemen und Nervigen, die Misfits und die Unnachgiebigen, die auf Bäumen hocken und an Gewändern ziehen, die einen Unterschied machen. Darin, wie mit ihnen umgegangen wird, zeigt sich die Zukunftsfähigkeit einer Organisation und Gesellschaft.“ So die Kollegin Maria Herrmann.

Das einzige, was bei unverschämten Fragen verloren gehen kann, ist Lähmung. Im Tausch gegen die Entdeckung: Wenn auch du „niemanden“ hast, hast du immer noch dich selbst. „Steh auf und geh!“, sagt Jesus.