"Was braucht das Ehrenamt"

Interview mit Christine Matzen

Frau Matzen, Sie sind Fundraising-Beraterin. Was macht man da eigentlich?

Ich berate Kirchengemeinden und Einrichtungen hier im Kirchenkreis darin, wie sie ihre Mitglieder oder auch Interessierte dazu bekommen, dass sie sich in der Kirchengemeinde, in der Einrichtung engagieren - mit ihrer Zeit, gerne auch mit ihrem Geld, aber auch mit ihrem Wissen und mit Weitersagen. Landläufig sagt man immer, es gehe um Spenden sammeln, aber es geht um wesentlich mehr.

Und zwar?

Es geht um den gezielten Aufbau und die Pflege von Beziehungen zwischen Kirchengemeinde und Einrichtung und ihren Mitgliedern sowie den Menschen drumherum - und das möglichst dauerhaft und möglichst individuell. Da ist das Gespräch total wichtig, das Zuhören, das Einlassen auf das Gegenüber. Mir ist es wichtig, dass bei den Beratungen immer wieder rüberzubringen. Und da ist es egal, ob es um den Bereich finanzielle Unterstützung oder um Ehrenamt geht, es ist wichtig, dass die Gemeinden, die Einrichtungen den Blick einmal verändern. Nicht schauen, was fehlt bei uns, sondern dahin zu gucken, was wollen die Menschen um uns herum?

Gerade die Ehrenamtlichen, was wollen die?

Bei meinen Beratungen zeigt sich, dass die Ehrenamtlichen Dinge suchen wie echtes Interesse auf beiden Seiten, Rückendeckung, regelmäßigen Austausch, Verantwortung, Anerkennung und Respekt – aber sie brauchen auch ein dickes Fell, Abgrenzung und keine Überlastung. Solche Dinge sammeln wir dann und überlegen: Wie kann man das als Kirchengemeinde oder Einrichtung angehen? Dabei spielt auch die Vernetzung eine große Rolle.


Christine Matzen, Fundraising-Beraterin im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg

Können Sie mal ein Beispiel geben, wie so etwas funktioniert?

Ich war zum Beispiel beim Jahresempfang einer Kirchengemeinde, bei dem auch andere örtliche Vertreter und Vereine zusammenkamen. Auch da haben wir die Frage gestellt: „Was braucht ihr eigentlich?“ Und da kam schließlich als eine Idee heraus: Wir machen gemeinsam eine Ehrenamtsmesse ganz explizit für unser Dorf, bei der sich Vereine und Verbände und die Kirche vorstellen. Wir wollten das nicht nur mit Ständen machen, sondern neu denken: Die Kirchengemeinde übt das Feuerlöschen und die Feuerwehr backt den Kuchen. Das machen sonst immer die Landfrauen, aber die halten dieses Mal die Andacht. Also mal komplett neu, damit jeder den anderen auch mal besser kennenlernt und damit es für die Menschen vor Ort attraktiv ist, vorbeizukommen.

Also hat Ehrenamt ganz viel mit Identifikation auf lokaler Ebene zu tun?

Ich nehme immer gern das Wort Begeisterung. Bleibe ich jetzt mal bei uns als Kirche: Wenn wir als Kirche begeistern können – durch unser Auftreten, durch das, was wir tun, durch Offenheit -  dann wissen die Menschen von uns und dann sind sie auch eher bereit, sich bei uns zu engagieren. Im Prinzip müssen wir ganz vorn ansetzen und schauen, wie wir als Kirche sein wollen. Und wenn es bei uns ein buntes, lebendiges Leben gibt, dann kommen die Menschen fast von allein. Ich möchte, dass sich die Ehrenamtlichen bei uns wohl fühlen.

Ist es schwieriger geworden, die Menschen zu begeistern? Schließlich klagen ja auch so viele Vereine und Verbände, dass ihnen der Nachwuchs fehlt…

Ich glaube, dass wir jetzt gerade in einem Prozess der Wandlung sind. Auf der einen Seite ist das „alte“ Ehrenamt, wo man einfach gemacht hat, was gesagt wurde. Das Hauptziel war, den Pastor uneigennützig zu unterstützen; die Aufgaben wurden zugeteilt und man hat das mit Fürsorge und Hingabe erledigt. Aber es geht hin zu einem neuen Ehrenamt, wo die Menschen mitreden und Verantwortung übernehmen und sich auch nicht mehr auf lange Dauer verpflichten lassen wollen. Das ist ein ganz wichtiges Thema – und das merkt man an den ganzen Projekten auf den verschiedenen Ebenen über Region, Kirchenkreis bis hin zur Nordkirche.

Können Sie mal ein Beispiel nennen, das zeigt, wie sich auch die verschiedenen Ebenen besser vernetzen?

Ja, da gibt es eines, auf das ich sehr stolz bin. Wir haben hier im Regionalzentrum des Kirchenkreises überlegt: Was brauchen eigentlich die Hauptamtlichen, um gut mit den Ehrenamtlichen zusammenzuarbeiten? Und haben dabei einen Ordner entwickelt, in dem alles drin ist, das diese Arbeit erleichtert – unter anderem auch mit Themen wie Datenschutz, Vereinbarungen oder wie eine Anerkennung laufen kann. Dabei kam die Frage auf: Für Mitarbeiter der Jugendarbeit gibt es die Juleica – warum gibt es die nicht auch für Erwachsene im Ehrenamt? Da haben wir uns sowohl mit Frau Junga von der Engagementförderung der Nordkirche als auch auf Kirchenkreisebene Verbündete gesucht. Einige Formulare sind jetzt im Praxisheft Ehrenamt mit drin. Und hier im Kirchenkreis sind wir dann zufälligerweise auf eine Gruppe in Flensburg gestoßen, die auch an diesem Thema dran ist. Wir haben uns dann zusammengetan und jetzt gemeinsam mit der Schutzengel Akademie für Frühe Hilfen, der Volkshochschule Flensburg, der Fachstelle 50+ sowie dem Team Engagement und Beteiligung der Stadt Flensburg und anderen Einrichtungen eine Basisschulung für Ehrenamtliche entwickelt, die nun im Herbst startet.


Ein Team: Björn Staupendahl (v.l.) von der Fachstelle 50+, Christine Matzen, Inken Carstensen-Egwuom für die Engagierte Stadt Flensburg, Volker Syring von der Schutzengel GmbH und Anke Wigger von der VHS Flensburg.

Also ein Angebot für eine allgemeine Qualifizierung für Ehrenamtliche wäre wichtig?

Ja. Wir haben die Hoffnung, dass sich das ins Kreisgebiet ausweiten lässt und warum nicht auch noch weiter – die Nordkirche befindet sich ja gerade auch in so einem Prozess. Ich merke, dass die Beratung mehr wird zum Thema Ehrenamt, natürlich auch weil wir diesen Ordner mit den Rahmenbedingungen entwickelt haben. Sinnvoll wäre es, wenn es in der Kirchengemeinde generell eine Ansprechperson für das Ehrenamt gäbe – jemand der geschult ist und eine Art Managementfunktion übernimmt, damit sich die Ehrenamtlichen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Freuen würde ich mich aber hauptsächlich über ein vermehrtes Um- und Neudenken und vor allem über ein „In-den-Blick-nehmen“ der Engagierten in den Kirchengemeinden und Einrichtungen. Nur so erhalten und entwickeln wir eine lebendige Gemeinschaft, die mit Spaß und Freude unserem christlichen Auftrag nachgeht.


Zurück zur vorherigen Seite