Abdul zeigt Bischof Magaard seine Medaillen (Foto: Anja Pfaff)

Von der Erstregistrierung bis zur Flüchtlings-App

05.09.2016

Am 1.9.2016 besuchte Bischof Gothart Magaard den Ev.-Luth. Kirchenkreis Schleswig-Flensburg, um sich über die Angebote für Flüchtlinge vor Ort zu informieren - und erlebte dabei Einiges: Von der eigenen Registrierung als Flüchtling im Kreishaus bis hin zu einem jugendlichen Somalier, der ihn auf plattdeutsch begrüßte.

"Wi geid Di dat?" mit diesen plattdeutschen Worten begrüßte der 17-jährige Abdul* aus Somalia Bischof Gothart Magaard bei dessen Rundtour zum Thema "Flüchtlinge" am Donnerstag, 1.9.2016 im Havetofter Elisabethheim. Die Anlaufstelle für unbegleitete Flüchtlinge unter 18 Jahren und andere Jugendliche, die in Obhut genommen werden müssen, war eine von vier Stationen der thematischen Bischofsvisitation im Ev.-Luth. Kirchenkreis Schleswig-Flensburg.

Gemeinsam mit anderen jugendlichen Flüchtlingen berichtete Abdul, der vor knapp zwei Jahren im Elisabethheim ein neues Zuhause gefunden hat, dem Bischof sowie Pröpstin Carmen Rahlf und Propst Helgo Jacobs von seinen Plänen in der neuen Heimat Deutschland, aber auch von Sorgen. Zermürbend sei beispielsweise, dass Flüchtlinge immer wieder sehr lange auf ihre Anhörung und ihre Anerkennung warten müssten. Hamzda* aus Eritrea sagte: "Ich habe Angst, weil ich noch kein Interview hatte, möchte sicher hier sein. Langes Warten ist schlimm."

Hamdza lernt genau wie Abdul derzeit die deutsche Sprache und geht zur Schule. Einrichtungsleiter Christian Oehler sagt: "Das Gute im Kreis Schleswig-Flensburg ist, dass hier im Unterschied zu vielen anderen Kreisgebieten unsere Bewohner fünf Tage pro Woche zur Schule gehen, von Anfang an. Fast alle der insgesamt 35 begleiteten Jugendlichen machen auch einen Schulabschluss und beginnen dann eine Ausbildung. Abdul möchte Altenpfleger werden. Den plattdeutschen Satz "wi geid Di dat?" hat er während seines Praktikums in einem Flensburger Altenheim gelernt. In seiner Freizeit läuft er Halbmarathon - und zeigte dem Bischof stolz seine Medaillen und Pokale.

Vor dem Besuch in Havetoft war Bischof Gothart Magaard zu Gast im Diakonischen Werk in Flensburg, um von der Flüchtlingsbetreuung in der Stadt zu hören: Im Auftrag der Stadt Flensburg sind das Diakonische Werk und die Arbeiterwohlfahrt gemeinsam für die Begleitung der Flüchtlinge ab ihrer Ankunft in Flensburg zuständig. Fast 40 Stellen haben beide Träger dafür geschaffen, dazu kommen die seit vielen Jahren bestehenden Angebote der Migrationsberatung im Diakonischen Werk. Diakoniepastor Thomas Nolte berichtete, dass es nach wie vor ein Ziel sei, Flüchtlinge dezentral in Wohnungen unterzubringen - bei der Wohnungsknappheit in Flensburg eine echte Herausforderung. "Wohnungen, Sprache und Arbeit sind die entscheidenden Schlüsselfaktoren für eine gute Integration", fasst Nolte zusammen.

Und die Flensburger Pröpstin Carmen Rahlf fordert: "Nach der gelungenen Erstaufnahme muss nun ein Konzept her für die weitere Integration der Flüchtlinge und zur Frage, wie wir alle uns in dieser Stadt gemeinsam weiter entwickeln wollen." Nolte ergänzt: "Wir brauchen über das Projektmanagement hinaus ein langfristiges und nachhaltiges integrales Konzept - und als Träger brauchen wir langfristige Planungssicherheit, damit Ruhe ins System kommt."

Ganz praktische Integrationselemente lernte der Bischof bei seiner nächsten Visitationsstation kennen: Vom Café International an der Flensburger Universität über konkrete Projekte zum Mitmachen in der Jugendkirche bis hin zur "Moin Refugees App" - einem mehrsprachigen Wegweiser und Ratgeber für Flüchtlinge und Begleiter_innen mit Infotexten in sechs Sprachen, Karten und Fotos. Die App für das Handy, für die die Agentur Markenwerk mit dem Preis von "Deutschland - Land der Ideen" ausgezeichnet wurde, beantwortet Fragen und bietet Orientierung von "A wie Arbeit" über "G wie Gesundheit" bis hin zu "W wie Wohnen". Das Grundgerüst der App, die in Kürze auch im Bundeskanzleramt vorgestellt wird, ist entwickelt und verfügbar und auch die Daten für die Stadt Kiel sind bereits abfragbar. Mit vereinten Kräften werden der Ev.-Luth. Kirchenkreis Schleswig-Flensburg, die Stadt Flensburg und der Kreis dafür sorgen, dass die Angebote in Schleswig-Flensburg als nächstes zu finden sind - voraussichtlich noch vor Weihnachten. Die Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises, Mareike Brombacher, sagt: "Ich freue mich auf den Zeitpunkt, an dem die App für Schleswig-Flensburg dann verfügbar sein wird. Damit geht für mich dann ein Traum in Erfüllung, den ich schon in meinem Bewerbungsgespräch vor ziemlich genau einem Jahr formuliert habe."

Ganz ohne App hatte Bischof Gothart Magaard am Nachmittag dann noch einmal eine Herausforderung zu meistern. Im Kreishaus in Schleswig durchlief er ein komplettes Erstaufnahmeverfahren und erlebte, wie Flüchtlinge sich wohl bei ihrer Ankunft fühlen: In einer fremden Sprache - in diesem Fall kurdisch - angesprochen zu werden, nicht genau zu wissen, was als Nächstes geschieht und eine Menge Formulare zum Ausfüllen zu bekommen, sei schon eine Herausforderung, fasste er zusammen. Er sagte: "Da ich die Sprache nicht verstanden habe, musste ich mit allen Sinnen sondieren, was hier nun gerade vor sich geht, welche Stimmung herrscht und ob ich hier gut aufgehoben bin. Für die Menschen mit Fluchthintergrund mit ihren Erfahrungen in den Heimatländern schon eine echte Herausforderung."