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Geistliches Wort im Dezember: "Alle Jahre wieder: Die stille Revolution"

21.11.2025

von Pastorin Fischer. Es ist die Zeit im Jahr, da wird die Welt etwas langsamer. Also theoretisch...

Denn der Erfahrung nach kann sie sich auch gerade in der Adventszeit beschleunigen. Denn Rabattaktionen rufen und Adventskranzfotos wollen gepostet werden. Und doch: Sobald die erste Kerze brennt, passiert etwas ganz anderes.
Irgendwo zwischen Lebkuchen im September, künstlichem Schneespray auf Plastikzweigen und dem Geruch von Zimt im Drogeriemarkt regt sich in uns etwas. Ein leises „Ah, da bist du ja wieder“ – das Gefühl von Vertrautheit.

Die Adventszeit ist wie ein alter Freund, der jedes Jahr angekündigt und zuverlässig an der Haustür steht, ob wir bereit sind oder nicht. Er trägt dieselbe Strickmütze, riecht nach Vanillekipferln und fragt nicht, wie es uns wirklich geht – er weiß es ohnehin. Und wir müssen damit umgehen, ob er uns nun überfordern will, in einer Welt, die uns politisch oder gesellschaftlich verrückt oder schräg anmutet, in der sich die Dauerschleife von „Last Christmas“ über die Geschenke- und Festtagsplanung legt und wir einen Adventskalender für Hunde bestellen. Es ist absurd - aber auf eine tröstliche Weise. Denn offenbar wollen wir alle glauben, dass das Warten auf etwas Schönes Sinn macht, selbst wenn es nach Trockenfutter riecht.

Doch während sich der Puls der Welt in der Vorweihnachtszeit nicht beruhigt, räumen wir drinnen die Fensterbänke frei und stellen eine kleine Holzkrippe hin. Mit ein paar abgeplatzten Figuren, weil das Jesuskind seit 1989 regelmäßig vom Kater aus der Krippe gefischt wird. Da steht sie dann, diese alte Geschichte, inmitten unserer modernen Lebensverwirrungen. Eine Geschichte, die nicht perfekt inszeniert ist, sondern von Improvisation lebt. Da ist ein überfüllter Stall, eine junge Frau, ein Mann, der wahrscheinlich dachte, das hier sei kein guter Start ins Familienleben. Und ein Kind, das geboren wird, mitten in die Unordnung hinein. Klingt irgendwie vertraut. Vielleicht, weil unsere Welt auch nicht viel aufgeräumter ist. So wird die Krippe ein Symbol für den stillen Widerstand.

Ich glaube, wir brauchen das: Alle Jahre wieder. Wir brauchen diese Wiederholungen. Sie sind wie kleine Ankerpunkte im Strom der Zeit. Während sich alles ändert wie Arbeitsmodelle, Politik und Streamingdienste, setzen das Warten, das Licht und die alten Lieder ein Gegengewicht. Wir singen dieselben Melodien, die schon unsere Großeltern gesungen haben, vielleicht etwas weniger textsicher. Wir backen die Rezepte, die in Omas Küchenschublade lagen, und sagen: „Ach, das riecht wie früher.“

Das ist die stille Kraft des Advents: Er schenkt uns Vertrautheit in einer Welt, die sich ständig neu erfindet. Er sagt: „Schau, es gibt Dinge, die bleiben.“

Das macht die Adventszeit im Grunde zu einem Meisterkurs in Geduld.
Wir zählen Kerzen und Tage und wissen, dass am Ende etwas kommt, das wir nicht beschleunigen können. Das Kind in der Krippe lässt sich nicht per Expressversand bestellen. Es kommt, wenn es so weit ist.

Und vielleicht ist das die eigentliche Pointe dieser alten Geschichte: Dass mitten in all unserem Tempo etwas Kleines, Verletzliches, Ungeplantes das Licht der Welt erblickt – und alles verändert. Nicht laut, nicht spektakulär.
Das ist kein Aufruf, der durchaus fordernden Zeit im Advent noch aufzubürden, in ihr das Besinnliche und Entschleunigende zu finden. Es geht nicht darum, noch mehr zu müssen oder zu sollen. Es kann vielmehr ein Experiment sein, zwischen Punsch und Lichterketten den eigenen Zugang zu finden und ein Himmelsfenster zu entdecken. Und wenn das in diesem Jahr nicht gelingt, dann gibt es alle Jahre wieder dazu eine weitere Chance.

An Heiligabend dann, wenn wir in den warmen Mänteln und mit zerzaustem Haar vom Schneeregen in der Kirche sitzen, werden wir es wieder hören: „Es begab sich aber zu der Zeit …“ Dann entscheidet sich, ob wir das Unmögliche hoffen dürfen: das im Kleinen und in der Stille die Revolution liegt.

Pastorin Lisa Fischer