Predigt am 1. Advent, dem 29. November 2020 von Pastor Stefan Henrich


Sacharja 9,9-10.
Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Liebe Gemeinde,
Mit kindlicher Freude steh ich im Regen am Hafen, neben mir hunderte von Menschen, klein und groß, die meisten haben Fahnen in der Hand, eine Blaskapelle spielt.
Der Blick geht in die Ferne, ein Schiff wird kommen, weiß taucht es auf am Horizont, goldumwirkter Bug schiebt sich in das Hafenbecken hinein, ein rotweißes Fahnenmeer erhebt sich, das Schiff legt an.
In weiße Uniformen gekleidet nimmt die Besatzung Aufstellung an Deck, eine Tür geht auf.
Jubel bricht los, Königin Margarethe die Zweite ist zu Besuch in Flensburg.

Anderthalb Jahre ist das her, es sollte der Auftakt sein zum hundersten Jubiläumsjahr Tyve Tyve (Zwanzigzwanzig), dem Jahr der heutigen Grenzziehung. Das Jubiläum in diesem Jahr fiel aus den bekannten viralen Gründen aus, der Ankunft damals aber folgte ein Fest mit ganz vielen Begegnungen hier in Flensburg und im Lande.
Deine Königin kommt zu dir, so empfanden es wohl die meisten der Dänen hier in Südschleswig, und dass wir in Frieden zusammenleben macht uns froh. Und ich selber? War ich zu meiner eigenen Überraschung in einem kleinen geheimen Winkel meines Herzens doch ein Monarchist oder Royalist?

Zweieinhalb Jahrtausende früher wird auch die Ankunft, der Advent, eines Königs erwartet.
Nicht auf einem „Schiff, geladen“, sondern wie Luther übersetzt, auf einem Eselsfüllen kommt dieser König daher geritten.
Die Übersetzung vom Füllen ist dabei leider ein bisschen irreführend. Was aber auch ganz gut ist, denn wäre sie sprachlich genau, wäre das ein Fall für den Tierschutz.
Der König, der da kommt, der setzt sich nicht mit seinem ganzen Gewicht auf ein kleines Fohlen. Vielmehr kann mit dem hebräischen Wort für Füllen auch ein Eselshengst in der Blüte seiner Jugend gemeint sein, also ein durchaus starkes und kräftiges Reittier.
Schon aber der Evangelist Matthäus muss die Mehrdeutigkeit des Ausdrucks gespürt haben, er geht auf Nummer sicher, fügt ein „und“ dazu und lässt Jesus..., - ich nehme es vorweg, auf ihn wird die Sacharjastelle später gedeutet, -  Matthäus lässt Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem auf einem Esel reiten und auf einem Füllen (vgl. Matthäusevangelium 21, 5f.) . Das wäre zirkusreif wenn er nicht die Esel wechselt, aber dann wäre das wieder mindestens zur Hälfte ein Fall für den Tierschutz.

Eine andere Assoziation angesichts des Esels drängt sich nun aber auch immer wieder auf:   
Sind das nicht widersprüchliche Zeichen?
Ein König und ein Esel, ein Herrscher auf dem Tier, das in unseren Augen störrisch und sprichwörtlich dumm ist.
Können sie sich heutige Herrscher auf einem Esel vorstellen? Victor Orban oder Donald Trump?
Ich versage mir jetzt jeden Kalauer darüber, sage aber, dass der Esel zur Zeit Sacharjas durchaus die Luxuslimousine der hochgestellten Herrschaften sein konnte.
Wie sagt es ein Bibellexikon?
„Als Reittier diente der mit einem Sattel versehene (Gen 22,3; Num 22,21) und zum Teil von einem Treiber (2Kön 4,24) begleitete Esel in der Frühzeit vor allem den Vornehmen des Landes (Ri 10,4; 1Sam 25,20; 2Sam 17,23) und war gewissermaßen ein Statussymbol.“
www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/esel/ch/d35edb96ee697a9bba7df713fa3759f1/

Der Esel ist also nicht nur das Lasttier der armen Leute, wenn sie sich überhaupt einen leisten konnten, und dumm ist er schon gar nicht; er ist auch der Rolls Royce der Mächtigen, Reichen und Schönen zur Zeit des Sacharja.
Der Gegensatz, den Sacharja aufmacht, ist von daher nicht so sehr im Bild des Königs und des Esels zu suchen, wie ich auch lange Zeit gedacht habe. Vielmehr ist der Gegensatz im folgenden Vers enthalten, denn da  ist von Rossen die Rede.
Um die geht es. Das Pferd ist gemeint, welches als Schlachtross mit bewaffneten Reitern gepanzert in den Krieg zieht. Auf so einem Schlachtross sitzt der König nicht, sondern auf dem Esel, und der steht für den Frieden, den der König bringen will.
Nun gibt es aber noch etwas, was auffällt an dem Text, nämlich ein Attribut.
Der kommende König wird als „arm“ bezeichnet.
Auch hier weckt Luther in seiner Übersetzung des hebräischen Wortes eine Assoziation, die zumindest missverständlich ist. Der König ist vermutlich nicht arm im Sinne materieller Armut, vielmehr ist das Bedeutungsspektrum des Attributes so, dass eine mehr innerliche Haltung gemeint ist. Das hebräisch verwendete Wort kann auch „demütig“ meinen oder „leidend“.
Wenn der König demütig auf einem Esel sitzt oder leidend macht das als Armut des Königs in meinen Augen viel Sinn.
Der König, der sich nicht an seiner eigenen Macht berauscht und diese dann mißbraucht, so wie es die Tyrannen aller Zeiten taten, dieser König leidet an den Folgen von tatsächlichem Krieg und Flucht und Verbannung so wie es die gegeben hat zur Zeit des Propheten Sacharja.
Der Prophet hat die Vision eines Königs, der heimkehrt in die Trümmer seines Landes, der dabei zu allen gerecht ist und der hilft und der  Hoffnung gibt in allen Ängsten und Nöten.
Und dann schaut Sacharja noch größeres:
Alle Kriegsgewalt soll weichen, denn Frieden gebietet der Köng unter allen Völkern auf Erden. Die Kriegsbögen wird er zerbrechen und die Panzer verschrotten.
Und  dann wieder ganz klein, uranfänglich gegenwärtig gedacht:
Der König, der da kommt, er kommt zu dir und zu mir und wenn wir beide ganz unterschiedlich sind, sind wir doch von seinem Frieden umfangen.
Dieser Friede, so groß er entworfen ist, fängt im Kleinen an, mit Freude im Herzen über den, der da kommt.
Wie sagt Sacharja?
"So spricht der Herr Zebaoth (d. i. der Herr der Heerscharen): Es sollen hinfort wieder sitzen auf den Plätzen Jerusalems alte Männer und Frauen, jeder mit seinem Stock in der Hand vor hohem Alter, und die Plätze der Stadt sollen voll sein von Knaben und Mädchen, die dort spielen." (Sacharja 8,4)

Ist das nicht ein schönes Bild für den Frieden und für die Sehnsucht, die wir in diesem Jahr besonders im Herzen tragen und die wir nachvollziehen können ohne uns dabei zu verheben an der Größe der Vision?

Liebe Gemeinde, die Vision des Sacharja von diesem König erfüllte sich nicht.
Israel und der Iran leben nicht in Frieden und in  Bergkarabach schweigen die Waffen nicht und in Äthiopien ist kein Friede unter den verfeindeten Parteien?
Nicht Friede sondern Krieg scheint in weiten Teilen der Welt Normalzustand zu sein.

Der König auf dem Esel, der über den Frieden gebietet, ist immer noch Vision, in den Augen vieler dann doch eine dumme törichte Eselei.
Um so mehr erstaunt die Transformation dieser Vision in ein Leben hinein, das ganz anders dem Thema sich nähert und doch bei Sacharja schon angelegt ist:
„Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht Gott der Herr Zebaoth“ (Sacharja 4,6b)

Gott entmachtet sich selbst seiner Heerscharen und sendet dafür einen Heiligen Geist, dass der uns leite.
Dieser Heilige Geist erfüllt den König, an den wir glauben:
Geboren von der jüdischen Frau Maria, die vermutlich hochschwanger auf einem Esel nach Betlehem ritt, begleitet von Josef, dem Zimmermann.
Im Stall zur Welt gekommen, den Soldaten des Herodes entkommen und nach Ägypten geflüchtet.
Von dort als Kind zurückgekehrt, als die Gefahr vorüber war.
Erwachsen geworden wurde er getauft von  Johannes im Jordan, hierbei erfüllte ihn Heiliger Geist für alle Zeit.
Er zerbrach nicht unsere Waffen aber er sagte: "Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen." (Matthäus 5,9)
Gekreuzigt als Verbrecher, mit einer Dornenkrone verhöhnt gab er sein Leben für uns, damit wir Frieden hätten in ihm und füreinander.
Und dann war der Tod kein Ende sondern Anfang bei Gott und in uns.

Ist es ein Wunder oder keins, dass wir ihn König nennen?

Zum Schluss:
Matthäus legt diesem König ein besonderes Attribut bei: Sanftmütig kommt Jesus auf dem Esel geritten, mit sanftem Mut kommt dieser König zu uns in seinem Advent.
Wenn dieser König in unsere Herzen einzieht, ist da eine tiefe kindlich schöne Freude, so als käme das Königinnensschiff noch einmal zu Besuch und ein Esel würde mich stupsen und sagen: „Schau nur, der da trägt deine Sorge und Angst, der da trägt dich, dass dir Flügel wachsen zum Himmel und Segel zum Horizont und Ohren, so lang, wie ich, der Esel, sie habe, damit du das Wort seiner Güte hörst mit deinem Herzen und es umsetzt mit deinem Verstand. Dazu helfe dir Gott.“  Amen