Von Jona und dem Fisch, dazu von Jonathan und Jolanthe - Eine Predigt von Pastor Stefan Henrich

Jona Kapitel 1,1 bis 2,11:

Es geschah das Wort des Herrn zu Jona, dem Sohn Amittais:
Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.
Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem Herrn nach Tarsis fliehen und kam hinab nach Jafo. Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte, gab er Fährgeld und trat hinein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weit weg vom Herrn.
Da ließ der Herr einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen. Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer, dass es leichter würde.
Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief. Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben. Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so übel geht. Und als sie losten, traf’s Jona. Da sprachen sie zu ihm: Sage uns, um wessentwillen es uns so übel geht? Was ist dein Gewerbe, und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volk bist du?
Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer und fürchte den Herrn, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat.
Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Was hast du da getan? Denn sie wussten, dass er vor dem Herrn floh; denn er hatte es ihnen gesagt. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass das Meer stille werde und von uns ablasse? Denn das Meer ging immer ungestümer.
Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch gekommen ist.
Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an.
Da riefen sie zu dem Herrn und sprachen: Ach, Herr, lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu; denn du, Herr, tust, wie dir’s gefällt.
Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer.

ORGELSPIEL

Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten.
Und die Leute fürchteten den Herrn sehr und brachten dem Herrn Opfer dar und taten Gelübde.
Aber der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte.
Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, im Leibe des Fisches und sprach:  

 

Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst, und er antwortete mir.
Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme.
Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer,
dass die Fluten mich umgaben.
Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich,
dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen,
ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen.
Wasser umgaben mich bis an die Kehle,
die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt.
Ich sank hinunter zu der Berge Gründen,
der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich.
Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt,
Herr, mein Gott!
Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den Herrn,
und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel.
Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade.
Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen.
Meine Gelübde will ich erfüllen. Hilfe ist bei dem Herrn.

Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.

 

Liebe Gemeinde,


am großen Versöhnungstag, an Jom Kippur, wird in jüdischen Gemeinde die Geschichte von Jona gelesen und das Gebet Jonas aus dem Innern des Fisches gebetet.

Warum das immer noch so sei, wurde ein Lehrer von seinem Schüler gefragt. Er antwortete: „Weil wir Jona sind“.

Jona ist ein hebräischer Name, übersetzt heißt er „Taube“, wie der Vogel.
Wie ein solcher fühlt Jona sich: Frei und unbeschwert, was kostet die Welt, ich will leben, lieben und nicht leiden, will was Schönes erleben und Abenteuer bestehen.
Das mit den Abenteuern erfüllte sich, aber anders als Jona gedacht hatte. Er hatte nachts im Schlaf eine Stimme gehört, die hatte seinen bunten Alltag grau gemacht:

„Schau dahin wo es dreckig ist und elend, wo die Menschen übereinander herfallen und sich das Leben zur Hölle machen, geh nach Ninive in den Moloch Stadt und zeige ihnen, was falsch läuft im Leben dort.

Jona wußte, wer mit ihm redete und ihm diesen Auftrag zumutete. Eine wirkliche Zumutung war das, alles in Jona sträubte sich dagegen. Da Ninive im Osten lag, packte Jona seinen Rucksack und lief schnurstarcks nach Westen.

Zeitsprung: Jonathan lebt am Meer, in einer kleinen Hafenstadt.
Viele Touristen kommen im Sommer. Sie freuen sich an den schönen Atmosphäre in der Stadt und an den Stränden, die ringsum sich an der Küste erstrecken. Früher, so erinnern sie, gab es manchmal Teerklumpen am Strand, heute aber ist der Strand oft voll von Plastikdreck, der bei starkem Wind mit der Strömung angespült wird.
Jonathan möchte was dagegen tun. Er überlegt sich, ob er sich vor den Ein-Euro Laden in der Einkaufszone stellen soll mit einem Schild auf Bauch und Rücken, darauf würde er schreiben: Billiges Plastik ist giftig in der Produktion und belastet Generationen. Er hätte das am liebsten noch drastischer ausgedrückt: Behaltet euren Sch… für euch, aber ob das so sinnvoll war?

Raumsprung: Jolanthe lebt seit Jahren in ihrer kleinen Wohnung alleine.
In der letzten Woche bekam sie nach langer Zeit mal wieder Besuch. Das Sprechen fiel ihr anfangs schwer. Sie sagte: Ich glaub, ich muß das Sprechen richtig wieder lernen. In den letzten Monaten habe ich kaum ja kaum jemand getroffen und mit fast niemandem geredet. Zum Glück bin ich jetzt geimpft, hoffentlich wird alles wieder besser und ich kann auch mal wieder zur Kirche gehen.
Zeitsprung zurück :
Jona damals dachte, er könne Gott entkommen.
Als er auf dem Schiff war, dass ihn weit weg bringen sollte, hatte er schon ein mulmiges Gefühl.
Er hatte sich den Seeleuten anvertraut, hatte gesagt, dass er auf der Flucht war. „Vor wem?“ hatten sie gefragt.
„Vor Gott “, hatte er gewagt zu sagen.

Sie hatten geflucht und mit einem Grinsen gesagt: „Deinen Gott kennen wir nicht, komm mit...“

Als der Sturm aufkam,schlief er unter Deck. Vom Rollen des Schiffes war er wach geworden. Die sonst so ruhigen Seeleute waren in Panik, „Was zum Teufel ist hier los, wer ist schuld?“

Das wollte Jonathan auch wissen.
Die Sache mit der Schuld nannte man heute Verursacherprinzip, wer schädigt muß zahlen.
Wer aber schmeißt das Plastik ins Meer? Wie kriegst du die  zu fassen?

Jonathan kam auf eine andere Idee:
Ich selber mach was. Ich such mir Freunde und wir machen was aus dem Dreck, der am Strand liegt.
Früher als Kinder haben wir doch auch schon mal eine Müllhütte gebaut am Strand aus allem was da rumlag, jetzt sammeln wir das viele Plastik und bauen daraus einen Riesenfisch. Ich glaub, das wirkt mehr als die Sache an der Einkaufstraße.

Jolanthe ging in dieser Woche in den Bibelkreis. Zum ersten Mal war wieder ein treffen nach dem langen Jahr voller Einschränkungen.

Sie lasen die  Geschichte von Jona Wort für Wort.
Erste Reaktion darauf:
„Das ist ja wie für unsere Zeit geschrieben. Diese Wendungen und Aufbrüche, diese Zumutungen und Abgründe, diese Aussichtslosigkeit und all die Fragen nach den Ursachen und der Schuld.
Wir sitzen in der Coronablase wie weiland Jona im Bauch des Fisches und fragen uns, ob unser Umgang mit der Schöpfung ursächlich ist für die Ausbreitung des Virus und manch einer sieht die Welt untergehen in den Stürmen des Lebens und unter der eigenen Angst, und dann, im Gebet kommt doch Hoffnung auf  und Rettung und Hilfe sind  überraschend da in der Tiefe des Lebens.“

Eine Teilnehmerin sagte:
„Wirkliche Veränderung gibt es meist erst, wenn du völlig herausgenommen bist aus dem Alltag deines Leben, wenn du allein bist mir dir und deiner Stimme und wenn sich ein Resonanzraum auftut, der offen ist für neue Erfahrungen und  schließlich auch für Hilfe, die von außen kommt .“

Jona auf dem Schiff hatte alle Schuld auf sich genommen.
Ich bin‘ s, um dessen willen das Schiff unterzugehen droht.
Werft mich über Bord, und der Sturm wird schweigen.
Die Seeleute wollten alles tun, nur das nicht, sie werfen allen eigenen Ballast über Bord und versuchen mit eigenen Kräften wieder und wieder an Land zu kommen und doch gelingt das nicht.
In höchster Not und nach dem Prinzip „Lieber einer als alle“ taten sie dann doch, was Jona wollte, Sie riefen Gott um Vergebung an und werfen Jona über Bord.
„Er hat sich geopfert“ sagen sie, als sie heil im Hafen anlegen.
Von Jona hörten sie nichts mehr, nur einen großen Fisch haben sie nah am Schiff gesehen, das war ihnen merkwürdig vorgekommen

Im Bibelkreis erinnern sie sich:
Jesus hat das Zeichen des Jona in Erinnerung gerufen: Wie Jona drei Tage und Nächte im Bauch des Fisches war, so werde ich im Innern der Erde sein, ehe das Licht der Auferstehung leuchtet.

Jolanthe, die Kunst mochte, erinnerte sich an eine kleine Darstellung von Jona aus dem Islam. Der Fisch sah aus wie ein großer Stör. Jona kam nackt, bärtig und an den Armen tätowiert und doch wie ein Embryo hockend aus dem Maul des Fisches an Land. Vom Himmel kam ein Engel, der reichte ihm ein Handtuch, das fand sie besonders anrührend und schön.
(Abbildung auf dem ausgeteilten Gottesdienstblatt oder unter https://de.wikipedia.org/wiki/Jona#/media/Datei:Jonah_and_the_Whale,_Folio_from_a_Jami_al-Tavarikh_(Compendium_of_Chronicles).jpg)
Jolanthe, die sonst Nolde liebte, war glücklich gewesen. Sie ging am Sonntag in den Gottesdienst, hatte unter der Maske zwar nicht alle erkannt aber immerhin, es war fast wie früher.

Jonathan hatte mit Freunden den Fisch gebaut. Er war eine Touristenattraktion geworden. Wenn man ein paar Meter dahinter stand in einer bestimmten Perspektive und ein anderer machte von vorn ein Photo, sah das fast aus, als würde der Fisch einen verschlucken. Das erinnerte ihn an  die alte Geschichte von Jona und dem Wal. Die hatte er doch früher in seiner Kinderbibel sich so gerne angeschaut.

Ein Mensch im Innern des Wals und der wird gerettet, jetzt müssen wir die Wale retten, dachte Jonas. Vorgestern hatte er auf auf Spiegel online gelesen, dass die Wale im Nordatlantik schrumpfen , weil sie Stress haben durch Geisternetze, sie sind  heute einen guten Meter kürzer und weniger massig  als noch vor vierzig Jahren.

 

www.spiegel.de/wissenschaft/natur/die-wale-schrumpfen-a-0570394f-a40e-454e-8fef-9c2e9550d2cc abgerufen am 04.06.2021

 

Jonathan fragte sich ob die Sache mit Jona heute noch funtionieren würde, dachte sich aber, dass die ganze Geschichte ein archetypisches  Symbol sei für den Zustand der Welt und dass es trotz aller Bedrängnis Rettung gebe, und Hoffnung über allen Abgründen.

Und was war mit Jona? Der war ausgespuckt worden und war dann doch noch nach Ninive gegangen, hatte den Niniviten die Leviten gelesen und gesagt, Wenn ihr so weitermacht, seid ihr in vierzig Tagen tot.
Das hatte gewirkt, die waren in Sack und Asche gegangen und hatten Buße getan und was war passiert? Gott hatte sich erweichen lassen, und hatte die Strafe zurückgenommen.

So war Gott, Jona selber hätte es besser gefunden, wenn er hart geblieben wäre, aber irgendwann erinnerte er sich daran, was er im Innern des Fisches gebetet hatte Ein Satz lautete: Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!  Sollte das nicht auch für die Leute von Ninive gelten? Amen