Von Neuanfang und Schwiegermuttertreue 23.01.2021

Wo du hingehst, da will ich auch hingehen

Von Neuanfang und Schwiegermuttertreue 23.01.2021

Eine Lesepredigt zum 3. Sonntag n. Epiphanias von Pastor Stefan Henrich

„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.“ (Ruth 1,16b-17)

Liebe Gemeinde,

das Buch Ruth ist eine feinsinnig schön erzählte Geschichte aus dem Alten Testament, die Geschichte einer jungen  Frau, die durch Leid und Tränen hindurch dann doch noch ihr Glück in der Fremde, in Israel, findet.
An einer Stelle sagt ein Wohlgesonnener zu Ruth:
„Der Herr vergelte dir, was du getan hast, und dein Lohn möge vollkommen sein bei dem Herrn, dem Gott Israels, zu dem du gekommen bist, dass du unter seinen Flügeln Zuflucht hättest." (Ruth 2,12)
Unter Gottes Flügeln Zuflucht haben, das ist ein schönes Bild für alle Nöte des Lebens.
Wie es zur Bewahrung in der Not für Ruth gekommen war im Wechselspiel eigener Initiative und gnädigem Geschick versuche ich im folgenden kurz zu skizzieren:

In Israel in Betlehem lebt Elimelech mit seiner Frau Noomi, die beiden haben zwei Söhne: Machlon und Kiljon.
In Israel herrscht Hunger, richtig harter Hunger. Der Tod droht der Familie. Elimelech und Noomi beschließen mit ihren Kindern in ein anderes Land zu gehen, dort wo kein Hunger herrscht. Sie gehen nach Moab. Das ist östlich von Israel am anderen Ufer des  Toten Meer gelegen, dort gibt es Korn und Brot.  Die Familie lebt in der Fremde, das ist besser als sterben. Sie bleiben dort, die Kinder Machlon und Kiljon werden groß.
Elimelech, der Vater, stirbt in Moab, Mutter und Kinder trauern. Die Kinder lernen Frauen kennen. Sie verlieben sich und heiraten. Orpa und Ruth heißen die Bräute.
Zehn Jahre später bricht  wieder Unglück herein über die Familie.  Machlon und Kiljon sterben, Die Mutter, Noomi, ist allein mit ihren beiden Schwiegertöchtern.
Wunderbar einfühlsam sagt sie den beiden: „Ihr müsst nun nicht auf eure alte Schwiegermutter aufpassen. Ich will zurückgehen in mein Land, bleibt ihr hier, hier kennt ihr alles, hier sind eure Familien. Gott gebe euch, dass ihr Ruhe findet in eurem Zuhause." Und sie küsst die beiden zum Abschied.
Die beiden weinen, wollen mit ihr gehen.  Noomi unterstreicht das eben gesagte, sagt überdeutlich: Was wollt ihr von mir, ich bin alt, ich kann doch keine Kinder mehr haben, die eure Männer werden, und selbst wenn, wolltet ihr warten, bis die Kinder groß sind? Nein, bleibt hier. ( vgl. Ruth 1,11 ff.)
Orpa tut das Gebotene, tut das Vernünftige, Ruth aber entscheidet sich anders. Sie sagt die berühmten Worte: „Wo du hingehst da will ich auch hingehen:...!“
Noomi willigt ein. Die beiden kommen nach Betlehem zurück, bettelarm, alt, gram- und kummergebeugt Noomi, Ruth an ihrer Seite.
In Betlehem erregen sich die Leute. Sie tuscheln und schwatzen und reden hinterm Rücken, Ist das wirklich Noomi und wen hat sie bei sich, eine Fremde?
Noomi bringt ihre Situation auf den Punkt, sie sagt: „Nennt mich nicht Noomi, nennt mich Mara, dass heißt ‚bitter‘, denn so ist mir.“

Erste und wichtigste Frage dann :“Was sollen wir essen?“
 
Es ist Erntezeit in Israel, da gibt es einen guten sozialen Brauch. Die Ärmsten der Armen dürfen auf den Feldern hinter den Schnittern hergehen, dürfen Kornähren aufsammeln, die die Schnitter liegen lassen.
Noomi schickt Ruth  auf das Feld eines entfernten Verwandten. Boas heißt der, ein angesehener Mann ist er, so heißt es in der Bibel. Der wird aufmerksam auf Ruth
Was sich nun entwickelt, wird schönste Liebesgeschichte. Ganz langsam bewegen Ruth und Boas sich aufeinander zu.
Boas sagt seinen Schnittern: „Lasst die Frau in Ruhe, bedrängt sie nicht, beschämt sie nicht, keiner fasst sie an in böser Absicht. Lasst aber extra viel liegen für sie und ihre Schwiegermutter, damit sie zu essen haben."
Im Dunkel der Nacht funkeln dann nicht nur die Sterne.
Tagsüber aber kommt es nach langen Verhandlungen zu einer wunderbaren Lösung in einer verwickelten Erbsache. Diese wird  mit einem Schuh besiegelt, wie das Brauch war in Israel (Ruth 4,7) und dann endlich können Ruth und Boas heiraten. Die beiden bekommen ein Kind. Obed heißt das Kind und sein Enkel wird später der berühmte König David sein. All das spielt nach der Rückkehr der ehemals Hungerflüchtigen in Betlehem, dort wo Jahrhunderte später Jesus geboren werden wird. Schöne Randnotiz: Betlehem heißt übersetzt „Haus des Brotes“.

Ruth geht in allen Schwierigkeiten des Lebens selbstbestimmt ihren Weg und findet schlußendlich neues Glück. Ruth macht nicht das Gewöhnliche, bleibt nicht zu Haus, sondern geht mit ihrer Schwiegermutter in das ihr unbekannte Land nach Betlehem. Mutig und selbstbewusst ist das und das nach der Trauer, der erlittenen.

Wer heute oder morgen das Evangelium nach Matthäus aufschlägt, findet Ruth gleich auf der ersten Seite eingereiht in den Stammbaum Jesu. Sie, die Frau aus der Fremde, ist auserkoren im Heilsplan Gottes mitzuwirken, den Erlöser zur Welt zu bringen.
Ich finde, diese Geschichte spricht für sich auch deshalb weil sie ein Hoffnungspotential bereit hält für alle aktuellen Sorgen: Was du selber tun kannst, um deinen Lebensweg in der Not des Daseins zu ändern, tue. In allem Tun aber vertraue darauf, dass du unter den Flügeln Gottes Zuflucht hast.

Zum Schluss: Als in dieser Woche bei der Präsidenteninauguration in den USA die 22jährige Poetin Amanda Gorman mit ihrem Gedicht "The Hill We Climb"
www.sueddeutsche.de/kultur/joe-biden-gedicht-amanda-gorman-the-hill-we-climb-1.5181310
weite Teile der Welt beglückte, da schien mir, hatte das eine „Ruth-Dimension“. Als dann fast zeitgleich die Bilder der überfluteten Flüchtlingslager aus dem Norden Syriens über den Schirm gingen, in denen  Menschen in Frost und Schlamm auch noch letzte Zelthaut verloren hatten, da machten die Nöte dieser Welt den Atem und die Seele schwer. Von daher möchte ich diese Predigt schließen mit dem Hinweis auf die Katastrophenhilfe der Diakonie und der Bitte, diese zu unterstützen, damit andere Zuflucht  behalten oder gewinnen, wenn sie selbst nicht mehr weiter können:  Unter www.diakonie-katastrophenhilfe.de finden Sie Möglichkeiten auch online zu spenden.
Was hörte Ruth, als sie Boas begegnete?
„Der Herr vergelte dir, was du getan hast, und dein Lohn möge vollkommen sein bei dem Herrn, dem Gott Israels, zu dem du gekommen bist, dass du unter seinen Flügeln Zuflucht hättest.“
Amen