Erntedankpredigt vom 04. Oktober 2020 von Pastor Stefan Henrich

Predigt vom 04. Oktober 2020 von Pastor Stefan Henrich

Als wieder eine große Menge da war und sie nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Mich jammert das Volk, denn sie harren nun schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen. Und wenn ich sie hungrig heimgehen ließe, würden sie auf dem Wege verschmachten; denn einige sind von ferne gekommen. Seine Jünger antworteten ihm: Woher nehmen wir Brot hier in der Einöde, dass wir sie sättigen? Und er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie sprachen: Sieben. Und er gebot dem Volk, sich auf die Erde zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern, dass sie sie austeilten, und sie teilten sie unter das Volk aus. Sie hatten auch einige Fische; und er sprach den Segen darüber und ließ auch diese austeilen. Und sie aßen und wurden satt. Und sie sammelten die übrigen Brocken auf, sieben Körbe voll. Es waren aber etwa viertausend; und er ließ sie gehen. (Markus 8,1-7)

 

Liebe Gemeinde,

das ist nun nicht gerade eine typische Erntegeschichte, die wir im Evangelium gehört haben. Da ist kein Bauer, der sät und da ist kein Bauer der erntet, da wächst nichts auf den Feldern und die Scheunen werden nicht voll von der Ernte.
Stattdessen Einöde, viertausend Menschen, Hunger und Durst und der Weg nach hause ist weit.

Was soll das werden, zumal heute an Erntedank?

Erntedank ist eigentlich ein Fest für alle Sinne, da mag ich mich sattsehen an den Blumen, Beeren und Früchten, an Gemüse, Obst und Getreide,
ich mag den Duft der Ernte aufsaugen und mich laben an den Früchten des Feldes,
ich will loben, danken, preisen, aber in unserem Garten war ein Reh und hat alles junge Gemüse und alle zarten Knospen der Blumen abgefressen, nur den Giersch hat es stehen gelassen.
Und ich steh ich da mit meiner Maske und höre oder lese die letzten Nachrichten: und wieder ist ein Schlachthof betroffen und die Landwirte stöhnen unter der Dürre der letzten Jahre.
Der Lohnunternehmer, der den Mais erntet mit seinen teuren Maschinen fürchtet die Metallstangen, die Kriminelle an den Mais gebunden haben und die wie Geschosse übers Feld jagen, wenn der Häcksler sie erfasst; die Feuer in Australien sind gelöscht, die Brände in Californien aber röten unseren Abendhimmel durch die Aschewolken, die übers Meer treiben bis zu uns.  

Erntedank 2020 ist anders, wir haben einen neuen Predigttext zum Fest und wir haben einen Riß in unserem Land, der ganz viel mit Corona zu tun hat, aber auch mit dem veränderten Klima, dem wirklichen und dem gesellschaftlichen.

4000 waren es damals, die nichts zu essen hatten, einige  sind von ferne gekommen nun harren sie aus und drohen zu verschmachten.
Mir kommen die Bilder aus den Flüchtingslagern in den Sinn, aber auch die ganz anders gearteten aus den Pflegeheimen, wo über Wochen kein Besuch sein durfte. Und ganz anders ferne Erinnerung wie aus einer andern Welt vom Kirchentag etwa, wo tausende auf Papphockern sitzen und sich sehnen nach erfüllter Gemeinschaft und Nähe Gottes unter den Zeichen von Brot und Wein.
Heute wäre an so eine Großveranstaltung nicht mehr zu denken.

Wo ist Christus nahe, damals und heute? Ihn jammert das Volk, im Griechischen heißt es deutlicher, deren Hunger und Not geht ihm an die Nieren.

Und dann sagt er den Satz, der mir wie ein Zeitzeichen aus heutiger Zeit vorkommt: Woher nehmen wir das Brot hier in der Einöde, dass wir sie sättigen?


Ich höre darin auch die Frage: Was machen wir, um in unserer Gegenwart den Hunger nach Nähe und Gemeinschaft neben dem Hunger nach gesunder Nahrung, frischer Luft und klarem Wasser  und der Sehnsucht nach einem sicheren Hafen zu stillen.

Das erstaunliche: Jesus entwirft keinen Plan, er schreibt keine Konzeption, er gründet kein Aktionsbündnis, er fragt nicht die Verwaltung und schimpft nicht auf die Umstände und auch nicht auf die Mächtigen, er erklärt sich aber für zuständig und bezieht seine Freunde mit ein;

Er fragt die Jünger, wie viel Brot sie dabei haben.
Ernüchternde Antwort: Sieben und auch ein paar Fische.
Hoffentlich stinken letztere noch nicht, die Jünger sind ja schon ein paar Tage mit Jesus unterwegs und eine Einöde in Galiläa ist keine Frischhaltebox im Kühlschrank.
Jesus nimmt das Gegebene dankbar an, bricht das Brot, spricht den Segen über den Fischen und die Jünger teilen es aus. Wie auch immer es zu erklären ist, mit dem  Verstand ist es nicht zu fassen, aber die Leute werden satt und es bleibt auch noch was übrig.  

Eine Erntedankgeschichte?
Wir pflügen und wir streuen, nein das ist eher nicht der Fall in dieser Geschichte, aber der Kehrvers doch, der passt:
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt und dankt und hofft auf ihn.

Die Geschichte sagt mir: Vor und nach und in allen deinen Bemühungen, müht Jesus sich um dich:  Er sieht deine Not, vielmehr aber doch den Hunger derer, die zu ihm gekommen sind.
Mit leeren Händen stehen wir oft genug da, und doch ist das kein Grund, dass Jesus sich abwendet. Das wenige, was da ist, setzt er ein, er teilt aus im besten Sinne und die Leute  geben weiter von dem wenigen, was sie haben und siehe aus dem Kleinen wächst das Große, wie fassen es manchmal selber nicht.
Was können wir denn tun, woher nehmen wir das Brot in der Einöde? Wie erreichen wir diejenigen, die sich sehnen nach Nähe, so haben viele sich gefragt und sind dabei erfinderisch geworden. Kinder haben Bilder gemalt und Jugendliche Briefe geschrieben an diejenigen, die keinen Besuch haben durften in dieser Zeit.
Die Kirche hat ein Schiff gekauft um wenigstens einige zu retten.
Schüler haben bei der Ernte geholfen, als die Schulen geschlossen waren
Musik gab es vor den Pflegeheimen und Predigten auf Papier oder online.
Wir haben ganz vielen mit unserem Puzzlegeschenk eine Freude gemacht und am tiefsten hat es mich berührt. wieviel Freude und Rückmeldung es gab  über die in den Briefkasten gesteckten Trost- und Ermutigungsworten aus Bibel und christlicher Tradition mit einem Gruß aus der Gemeinde.

Ich hätte gedacht, das sei ganz wenig und erlebte doch, dass es ganz viel war, was wir zu bringen vermochten. Hier wie im Großen gilt:
Der kleine Anfang bringt mehr als der große Plan, der nicht ausgeführt wird, weil so viele Bedenken da sind.
Jesus handelt angesichts der offensichtlich vor ihm liegenden Not  mit dem ihm Gegebenen. Er handelt dabei aus dem Herzen seines Gottvertrauens heraus und wirkt Wunder.
Als alle satt sind, sagt er nicht, so jetzt müsst ihr mir aber nachfolgen und euren Teil dazu beitragen, dass die Welt besser wird, zumindestaber könntet ihr mir eine kleine Kollekte dafür geben, dass ich euch geholfen habe.
Nein, das alles tut Jesus nicht, auch wenn es ja verständlich gewesen wäre. Was aber tut Jesus?
Er lässt die Leute gehen.
Er entlässt sie in die Freiheit ihrer eigenen Entscheidungen.
Darin, liebe Gemeinde, liegt für mich die eigentlich Größe dieser Geschichte. Die Leute müssen gar nichts tun, sie sind ganz einfach da, um ihrer selbst willen und wenn Not da ist, bekommen sie Hilfe.
So einfach kann sein, was in der Realität so schwierig ist.
Wer in Not ist, bekommt Hilfe.
Dieser einfache Satz soll jetzt nicht in einen moralischen Appell münden, dies oder das zu tun oder zu lassen, aber ich möchte doch sagen, dass dieser Satz als ein Maßstab unseres Handelns die Welt gewaltig verändern würde.


Zum Schluß ein Gedicht, Kurt Marti hat es geschrieben:

gnadenwirtschaft

haben
und teilen

wenig haben
austeilen

weniger haben
mehr austeilen

nichts haben
viel austeilen

in der wüste
die lustige
wirtschaft

wo das wort
zum wirte geworden

bis alles verteilt
und alle gehabt.

Amen