Predigt am Ewigkeitssonntag, dem 22. November 2020 von Pastor Stefan Henrich


Offenbarung des Johannes Kap 21,1-6:
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.


Liebe Gemeinde,

„Mutter ist gestorben“, sagte der auch schon etwas ältere Sohn, als er mich anrief. „Gestern Nacht ist sie eingeschlafen. Als ich in ihr Zimmer kam, war alles so still, die Pflegerinnen hatten die Uhr angehalten und eine Kerze angezündet. Mutterns Hände waren gefaltet und ihre Augen waren geschlossen, ganz friedlich sah sie aus, wie befreit von allem Schweren der Krankheit. Ich habe mich in Ruhe dazugesetzt, habe geweint und gebetet, beides habe ich lange schon nicht mehr gekonnt.
Nur eine Sache hat mich dann irritiert. Am Kleiderschrank an einem Bügel, da hing das alte vergilbte Brautkleid, ein wenig Mottenkugelduft verströmte es, naja nach über sechzig Jahren im Schrank ja auch kein Wunder.
Was aber sollte das bedeuten? Eine Schwester sagte mir dann, dass Mutter sich das für ihren Tod so gewünscht hätte, dass sie das Brautkleid anhaben wollte, wenn sie in den Sarg gelegt wird.“

 Liebe Gemeinde, mir fiel diese lange Zeit zurückliegende anrührende Szene ein, als ich diesen Gottesdienst bedachte.
Wir sind heute als trauernde Gemeinde zusammengekommen. Wir bedenken, dass der Tod uns liebe Menschen genommen hat, wir lesen die Namen derjenigen aus unser christlichen Gemeinde, von denen wir im vergangenen Kirchenjahr Abschied nehmen mussten.
Erinnerung und Trauer bestimmen diesen Tag und dann doch auch dies: Dass wir uns bergen können in dieser Kirche, dass wir nicht alleingelassen sind mit unseren Gefühlen, dass da andere sind, die sich uns verbunden wissen und dass Gott da ist , der zu uns spricht durch das Wort der Bibel. Wir geben Zeichen der Hoffnung, wir beten und nachher zünden wir Kerzen an für eine jede und einen jeden, der gestorben ist in diesem Kirchenjahr .
Wort und Zeichen kommen zusammen an diesem Tag, Wort und Zeichen weisen darauf hin, dass Gott stärker ist als der Tod. Unsere Tränen, so heißt es in der Bibel, sollen getrocknet werden und Gott wird sein alles in allem, da wird kein Tod mehr sein und keine Angst, da wird Licht sein und Liebe,  Gott wird uns umhüllen und Jesus Christus wird uns erlösen, wir werden frei sein und doch geborgen.
Das ist die Hoffnung, die wir haben als Christen, wir teilen diesen Glauben in Nähe und Sympathie, gerade und zuerst mit denen, die traurig sind und allein und wir teilen Sie auch über räumliche Grenzen hinweg besonders mit denen, die aufgrund von Vorsichtsmaßnahmen angesichts der Pandemie heute zuhause an ihre nahen und lieben Verstorbenen denken.
Und doch mag manch einer heute morgen auch ein wenig irritiert sein wegen der Bilder, die der Text aus der Offenbarung des Johannes bereithält. Da ist eher von einer Hochzeit die Rede als von einer Trauerfeier, da scheint das Abstandgebot aufgehoben, wenn die heiligen Stadt sich niedersenkt in die Einsamkeit des Lebens hinein. Ein Fest scheint zu starten, wenn die Stadt wie eine  geschmückte Braut vom Himmel herabkommt um den Bräutigam in die Arme schließen.
Man könnte versucht sein zu fragen, ob wir im dunkelgrauen November mit den Erinnerungen an Vergänglichkeit und Sterben nicht die falschen Seiten im Buch der Bibel aufgeschlagen haben, so quer scheint das zu stehen, was wir lesen.
Die alte Frau mit dem Hochzeitsgewand am Sterbebett belehrt mich eines besseren.     
Sie scheint die Verbindung von Hochzeit und todesaufsprengender Hoffnung ganz einfach und schlicht in ihr Leben integriert zu haben.

Der Sohn erzählte, dass die Mutter auf ihrem beschwerlichen Lebensweg mit Krieg, Hunger und Flucht ihr Hochzeitskleid mitgeschleppt habe, als hinge daran ihr Leben.
Der Mann, der Vater, war im Krieg geblieben, aber Mutter hatte den einzigen Sohn retten können.
Auf der Flucht hatte die Mutter den Jungen in Frost und Kälte in das Brautkleid gewickelt, über schwere See seien sie dann nach Schleswig- Holstein gekommen, hätten hier mit nichts angefangen, aber doch leben können.
Dass Mutter dann aber das Brautkleid neben dem Taufkleid über die Jahre gut bis zum Tod verwahrt hatte, das wusste der Junge nicht.      
Nun war er überrascht und irritiert, und doch verstand er wohl inwendig den Wunsch der Mutter, in eben diesem Kleid begraben zu werden.

Ich fand, die Mutter hat mit diesem Wunsch einen starken geradezu biblischen Glauben zum Ausdruck gebracht, der sich aus zwei Quellen speist, die zu einem großen mitreißend schönem Strom werden.
Die eine Quelle ist die Erinnerung. Alles schöne genauso wie alle Schwere und Traurige findet in diesem Kleid sein Zeichen. Die Hochzeit und die Geburt des Kindes, die Freude, dass das Kind in Friedenszeiten dann groß werden darf und gleichzeitig sind da die Trauer und der Schmerz, dass der Vater das Leben des Kindes und die weitere Ehe nicht erleben kann.

In diese Erinnerungen hinein sprudelt die andere Quelle, genährt durch den Glauben und die Hoffnung, dass unser ganzes Leben von Gott umfangen ist. Und nicht nur unser Leben, vielmehr auch unser Sterben.
Kleidet mich dann einmal, als ginge es zum schönsten Fest des Lebens, legt mir das Brautkleid an, damit ich gut bereitet bin, wenn ich heimkehre an die Quelle des Lebens, wenn ich heim gerufen werde zu Gott und Jesus Christus, unserem Heiland und Erlöser.  
Denn Er macht alles neu, er kommt uns entgegen mit seinem Heil und Frieden, er birgt uns einmal in dem Reich seiner Herrlichkeit in Ewigkeit, das ist der Grund, warum ich das Hochzeitskleid anhaben will.

So, liebe Gemeinde, habe ich das am Schrank hängende Kleid gedeutet und verstanden, auf der Trauerfeier haben wir dann neben „So nimm denn meine Hände“ auch „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ gesungen.

 In diesem Jahr durften wir nicht singen in unseren Trauerfeiern. Und vielfach kamen Sie, die Angehörigen, mit einer doppelten Trauer zum Abschiednehmen. Sie konnten nicht so nah sein, wie sie wollten, die Schutzmaßnahmen in Pflegeheimen und Kliniken schränkten die Nähe oft ein. Die Wunden darüber sind offen, ein Umdenken in Hinblick auf die Sterbebegleitung ist nötig und in Gange.
Für viele ist in der Trauer aber der christliche Glaube noch einmal wichtiger geworden, weil er Zeichen, Texte und einen Zusammenhalt bereithält, der größer ist als unser Verstand:
Gott ist bei uns und bei den Toten, ein neuer Himmel und einen Erde warten ihrer und unser, kein Tod und kein Leid wird da mehr sein und Gott selber ist bei uns und trocknet unsere Tränen.

Zum Schluss:
Meinen Hochzeitsanzug habe ich noch, aber ich passe wohl nicht mehr hinein. Ich will darin auch nicht unbedingt beerdigt werden. Was ich aber gerne möchte ist, dass ich die Hoffnung behalte von Gott in Liebe umfangen zu sein im Leben und im Sterben und das Jesus Christus mein Heiland ist und mein Erlöser jetzt und hier in dem Zeit und Raum dieser Welt und dann einmal in Ewigkeit in dem Reich seiner Herrlichkeit. Amen