Vom Getreidekorn und dem Gottesdienst - Eine Predigt zum Sonntag Judika von Pastor Stefan Henrich

 

Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen’s Jesus. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Johannes 12, 20-24

 

Liebe Gemeinde,

im Evangelium haben wir von den Leuten gehört, die zu einem Fest gekommen waren um Jesus zu sehen.
Jesus spricht dann in etwas rätselhafter Weise gegenüber seinen Jüngern davon, dass die Stunde gekommen sei, in der der Menschensohn verherrlicht werde und sagt:
Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Jesus meint vermutlich damit sich selber. Er verdeutlicht mit dem Bildwort vom Weizen, dass sein drohender Tod nicht das Ende ist, sondern Anfang zu neuem anderen Leben.
Sein Leiden und Sterben kann er so auffassen, dass es das dunkel Tal ist, an dessen Ende die Herrlichkeit Gottes steht. Was für ein Vertrauen, was für einen  Glauben hat Jesus, was für eine Hoffnung stiftet er damit?  
 
Ich habe an das Wort vom Weizenkorn oft denken müssen angesichts der letzten Wochen, als wir keinen Gottesdienst hier in der Kirche hatten.
Ich habe mich angesichts dessen manchmal auch gefragt: War es das mit unserer Arbeit, war sie mit einmal erstorben?

Ich sagte mir: Nein, aus wirklich verantwortungsvollen gesundheitlichen Gründen haben wir darauf verzichtet in der Kirche zusammen zu kommen. Der Verzicht schien uns das auf Zeit Gebotene und Arbeit war anders da.

Wir entdeckten den Brief neu, schrieben Lesepredigten oder versuchten mit den Worten zum Tage Aufmunterndes oder Tröstliches zu sagen, da waren eine Menge Telefongespräche und auf der Straße auch viele Begegnungen, aber in allem wurde doch auch sehr deutlich, was fehlt.

„Unsere Gemeinschaft fällt ja richtig auseinander“ so hörte ich es sehr deutlich in der letzten Woche, als ich mit meinem Hund spazieren ging. Ja, das traf den Nagel auf den Kopf.
War das Weizenkorn unserer Bemühungen um die Weitergabe der frohen Botschaft Jesu in die Erde gefallen und erstorben und würde neue Frucht daraus wachsen?

Ich will Ihnen erzählen, wie es mir auf Dauer ergeht mit einen Lesegottesdienst zuhause oder mit dem Fernsehgottesdienst oder der Online Andacht, so wertvoll die auch sind, wenn ich nicht in die Kirche gehen kann.

Aber mir fehlt in diesen digitalen Formaten auf Dauer doch das richtige Leben. Ich mache mich nicht richtig auf den Weg, ich drücke lediglich einen Knopf  und sitze vielleicht in der Jogginghose wieder eine Stunde mehr vor dem Bildschirm oder Radio und wenn mir was nicht passt oder wenn das Telefon klingelt oder ich Lust habe auf einen Kaffee bin ich auch ganz schnell abgelenkt oder weg.
Hierher zur Kirche mache ich mich anders auf den Weg, ohne dass mir das jedes mal bewusst ist. Was ziehe ich an, wie viel Geld nehme ich mit für die Kollekte? Gehe ich durchs Frühlingsduftgestiebe heiter daher oder trübetümpelig? Wen werde ich treffen und werde ich freundlich begrüßt auch wenn ich selber eher mürrisch dreinblicke?
Ich trete über die Schwelle, draußen läuten die Glocken, drinnen brennen Kerzen, mein Herz auch wenn die Orgel erklingt. In der Kirche duftet es anders, auch wenn wir keinen Weihrauch haben. Liegt es an den Tränen die hier geflossen sind vor Freude oder aus der Trauer? Oder muchelt das Holz der Figuren  und mischt sich das mit dem Hauch der Duftwässerchen vom Kragen der Besucher?
Worte höre ich, die gerade, weil sie alte Überlieferung enthalten, mich besonders berühren. Über die  Predigt kann ich mich freuen oder ärgern, ich bleibe auf jeden Fall dabei, zuhause hätte ich im Falle des Ärgers lange abgeschaltet, hier kann ich anschließend doch noch das eine oder andere zur Predigt fragen oder austauschen, am besten wenn es Kirchenkaffee gibt.
Ich weiß, Kirchenkaffee gab es lange schon nicht mehr wegen Corona, und auch hier sitzen Sie mit Maske und singen dürfen wir auch nicht, aber das ist mehr als nichts und das andere gilt…

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein und bringt keine Frucht.

Ich frage mich dann weiter: Ist die Auszeit eine Zeit der fruchtbaren Besinnung oder der furchtbaren Öde gewesen, und andere Frage: wird die Auszeit womöglich bei steigenden Zahlen auch schnell wieder kommen? Viele befürchten das.

In der Auszeit aber wachsen andere Einsichten. Ich glaube, solche sind auch dabei:
Dass wir den Wert der gottesdienstlichen Gemeinschaft neu für uns definiert haben. Das geht in beide Richtungen

Die einen sagen: Siehst du, geht doch auch ohne Kirche. Sonntags morgen im Wald oder beim Frühstück finde ich auch meine Andacht.
Eine Familie erzählt mir, sie habe Weihnachten abends am Strand gefeiert mit Bibeltext und Gebet und so wie die Engel über den Feldern von Betlehem erschienen, waren sie hier über dem Wasser nicht mit Händen zu greifen aber doch da.
Eine alte Erkenntnis, die wuchs in dieser Zeit, war: Ich kann den Gottesdienst auch ohne den Kirchenraum und ohne Pastorin oder Pastor feiern.
Andere sagen. Wir haben das Zusammensein in der Kirche schmerzlich vermisst, gerade weil wir da nichts selber vorbereiten müssen außer dass wir unser Herz öffnen für Gott und sein Wort und alles andere wird uns geschenkt dafür. Und die Begegnung ist so wichtig, wenn ansonsten ich doch so oft schon allein bin.
Wieder andere sagen. Wir möchten doch kommen, wir wagen es aber nicht und noch ganz vielen anderen wiederum ist all das auch herzlich egal, ob die Glocken läuten oder nicht.

Alle diese Meinungen und Empfindungen meine ich gespürt zu haben in den letzten Wochen und Monaten um mich herum und auch in mir.

Das Weizenkorn, das erstorbene, bringt viel Frucht nur, wenn es in die Erde gelegt wird und stirbt. So hat es Jesus gesagt und dies zum Gleichnis seiner selbst gemacht.
Mir ist dieses Wort Stärkungswort für mein Leben und ich lese es in diesen Wochen gerne  hin auf diese besondere Situation, in der wir uns befinden.

Zum Schluß noch etwas Auffälliges aus dem Evangelium Wir wissen nicht, ob die Leute, die damals kamen um Jesus zu sehen, ihn wirklich treffen. Sie sprechen ja vorerst nur mit seinen Jüngern. Von denen gehen zwei zu Jesus und  sagen es ihm: Da sind welche von weit her gekommen, die wollen dich sehen.  Jesus antwortet mit dem Wort, dass die Stunde der Verherrlichung nahe ist und es folgt das  Bild vom Weizenkorn.
Alles Wichtige scheint in diesem Wort gegeben und enthalten.  Mir sagt es: Frucht und Kraft Gottes wächst da, wo ich es gar  nicht vermute. Darauf darf ich setzen auch und vielmehr gerade in schwierigen und belastenden Zeiten. Amen