Gottesdienst am 10. Mai 2020 in St. Johannis mit einer Predigt von Pastorin Sylvia Meyerding

Gottesdienst am 10. Mai 2020 in St. Johannis mit einer Predigt von Pastorin Sylvia Meyerding

Orgelmusik

Begrüßung:
Friede sei mit euch….. Acht Wochen konnten wir nicht gemeinsam Gottesdienst feiern. Wir haben die Karwoche und Ostern nicht gemeinsam erleben können.
Wir haben zu Hause ausgeharrt. Haben Einsamkeit erlebt oder Konflikte ausgetragen, sind an unsere Grenzen gekommen:
Von einem Moment auf den anderen waren wir ohnmächtig. Hatten unser Leben nicht mehr in der Hand. Viele haben sich gefragt:
Warum geschieht das alles? Viele haben immer noch Angst: um geliebte Angehörige und um gefährdete Bekannte, um die wirtschaftliche Existenz oder darum, was diese Krise mit unseren Kindern und Jugendlichen macht.
Und nun sind wir hier: Mit unserer Sehnsucht nach Gott, nach der Begegnung mit ihm in einem festen Rahmen. Nach Geborgenheit. Sie bringen wir vor ihn mit dem Lied „Meine engen Grenzen“. Unsere Organistin wird das Lied für uns spielen. Laut singen dürfen wir noch nicht.  Aber wir können den Text verfolgen und innerlich und äußerlich summen- Gott wird uns verstehen. Und so feiern wir diesen Gottesdienst im Namen Gottes, Quelle allen Lebens..

63: Meine engen Grenzen, Strophe 1-4 (My life is in your hands 63).

Wieviel haben wir erlebt in den letzten Wochen! Angst, aber auch positives.
Gottesdienste wurden über Telefon und Internet gehalten.
Glocken und Kerzen riefen zum Gebet
Man war verbunden, ohne beieinander zu sein.
Wildfremde haben Hilfe angeboten, Solidarität wurde wichtig.
Neben all den Schwierigkeiten gab es auch Überraschungen, kleine Wunder.
All das bringen wir vor Gott und beten:

Gebet:
Gott, wir kommen zu dir, mit allem, was uns bewegt und vertrauen darauf, dass du für uns da bist.
Dich preisen unsere Lieder –
leise und laute, gesummte und gespielte Weisen.
Dein Wort schenkt uns Freude und Zuversicht.
Es tröstet und stärkt uns.
Lass und das immer wieder erfahren.
Amen.

Friede sei mit euch, von dem, der da war, der da ist und der da sein wird!
Liebe Gottesdienstgemeinde
haben Sie die gemeinsamen Gottesdienste in diesem Raum vermisst? Es gibt ja zur Frage, wann sie wieder stattfinden sollen, unterschiedliche Auffassungen.
Die einen sagten: möglichst spät, denn Gottesdienstbesucherinnen und -besucher zählen meist zur Risikogruppe! Oder sagen: Mit all den Einschränkungen und Begrenzungen ist es nicht der Gottesdienst, den ich mir vorstelle. Da warte ich lieber, bis es wieder ohne angezogene Handbremse geht.
Andere sagen: Wenn Baumärkte aufhaben, wir auch! Wie so oft gibt es da wohl nicht die eine richtige Antwort. Wie so oft ist die Entscheidung von unseren eigenen Erfahrungen und Wünschen geprägt: Wie gut komme ich mit Fernseh- oder Internetgottesdiensten zurecht? Geben sie mir etwas? Wie sehr vermisse ich die gemeinsamen Gottesdienste in der Kirche, die sichtbare Gemeinschaft, die persönliche Ansprache?
Sie haben die Gottesdienste in St. Johannis offensichtlich vermisst, sonst wären Sie heute nicht als eine der Ersten wieder hier.
Im Psalm 27 wird die Freude über den Gottesdienst wunderbar ausgedrückt. Wir lesen ihn gemeinsam in Auszügen
 
Der Herr ist meines Lebens Kraft
 
Der Herr ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
 
Der Herr ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?
 
Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne:
dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang,
 
zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn
und seinen Tempel zu betrachten.
 
Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit,
er birgt mich im Schutz seines Zeltes
und erhöht mich auf einen Felsen.
 
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe;
sei mir gnädig und erhöre mich!
 
Mein Herz hält dir vor dein Wort:
»Ihr sollt mein Antlitz suchen.«
Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.
 
Verbirg dein Antlitz nicht vor mir,
verstoße nicht im Zorn deinen Knecht!
 
Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht
und tu die Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil!
 
Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich,
aber der Herr nimmt mich auf.
 
Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde
die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.

 Psalm 27,1.4.5.7-10.13   

Glaubensbekenntnis

Orgelmusik


Liebe Gottesdienstgemeinde,
Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?

Konnten Sie das sagen in den letzten Wochen? Oder waren Furcht und Grauen stärker? Ich hatte Furcht: Furcht um mir nahe Menschen, die durch ihre Vorerkrankungen besonders gefährdet sind. Diese Furcht habe ich immer noch, ich fürchte um ihre Gesundheit und ihr Leben.

Und Bilder des Grauens haben sich bei mir eingebrannt, aus Italien, Spanien oder Südamerika:
    • Menschen im einen Behelfskrankenhaussaal, fast nackt auf dem Bauch liegend am Beatmungsgerät.
    • Schnell ausgehobene Massengräber.
    • Und all das Erinnern an die Gräuel des zweiten Weltkrieges in diesen Tagen- 75 Jahre nach Kriegsende.
Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?
Aus vollem Herzen könnte ich das nicht sagen. Und dabei habe ich es so gut! Ich lebe gemeinsam mit Mann und Hund in einem schönen Haus mit Garten, wirtschaftlich abgesichert. Ich kenne das Grauen nur aus der Ferne.

Der Psalmbeter kennt Bedrängnis und Furcht aus eigenem Erleben- deshalb sagt er: Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe. Sei mir gnädig und erhöre mich.

Doch zugleich spricht er aus einer tröstenden Erfahrung heraus, die er gemacht hat:

Er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen.
Vielleicht haben auch Sie solche Erfahrungen in diesen Wochen gemacht. Erfahrungen, die zeigen, dass Gott uns begleitet, bei uns ist.
Ich schaue zurück auf die letzten acht Wochen. Bei allen Schwierigkeiten, auch für uns als Gemeinden: Wie viel Schönheit Gottes war da trotz all der Beschränkungen! Was haben wir gelernt? Was ist dazu gekommen? Was hat Gott uns geschenkt in dieser Zeit?


    • Sehnsucht nach Gemeinschaft
    • Aufmerksamkeit füreinander.
    • Gottesdienste und Andachten am Familien-Tisch
    • Neue Formen von geistlicher Gemeinschaft


Bei unserem Ostertelefongottesdienst haben sich drei Schwestern von verschiedenen Orten aus eingewählt. Und am Nachmittag bekamen wir eine überschwängliche Mail: Unser erster gemeinsamer Ostergottesdienst seit vielen Jahren! Wie schön war es, ihn gemeinsam zu erleben und sich darüber auszutauschen. Danke!
Vielleicht konnten Sie erfahren, wie Menschen sich umeinander gekümmert haben
Vielleicht haben Sie mit Familienmitgliedern oder Freunden und Bekannten Kontakt aufgenommen, mit denen Sie sonst selten reden.
Vielleicht sind Sie in dieser Zeit der geschlossenen Kirchen Gott auf ganz andere Weise begegnet.
Und dennoch kann ich den Psalmbeter und seinen Wunsch gut verstehen:
„Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne: dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang/ zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn und seinen Tempel zu betrachten“

Warum? Weil mir persönlich gemeinsam gefeierte Gottesdienste gut tun. Zum einen wegen dieses wunderbaren Kirchraumes, der mein Herz und meine Sinne weitet und zugleich konzentriert, zum anderen wegen der Musik, die mich mit Freude, Hoffnung oder Wehmut erfüllt.
Vor allem aber wegen der Menschen, wegen Ihnen allen, die wir heute hier zusammengekommen sind! Zum Glauben gehört für mich die sichtbare Gemeinschaft. Das gemeinsame Feiern, gemeinsam im Haus des Herrn zu sein, gemeinsam zu hören, zu beten und wenigstens leise zu summen.

Martin Luther hat einmal über den Gemeindegottesdienst gesagt: „Hier ist der Vorteil dabei, wenn die Christen also zusammenkommen, dass das Gebet noch einmal so stark gehet, als sonst. Man kann und soll wohl an allen Orten und zu allen Stunden beten, aber das Gebet ist nirgends so kräftig und stark, als wenn der ganze Haufe einträchtig miteinander betet.“
Der Gottesdienst ist für mich auch ein Ort, an dem wir Gott gemeinsam daran erinnern können, dass wir ihn brauchen. Besonders in den Zeiten der Corona-Pandemie:
„Du bist meine Hilfe; verlass mich nicht und tu die Hand nicht von mir ab, Gott mein Heil“

Und ich stelle mir vor, was wird, wenn alles wieder möglich ist, was vor drei Monaten selbstverständlich war. Machen wir einfach weiter wie bisher? So wie es jedes Jahr zu Sylvester im „Dinner for one“ heißt: Same procedure as every year?
Oder können wir etwas mitnehmen aus dieser Zeit?
Die Erkenntnis vielleicht, dass es nicht um immer mehr, höher, weiter und schneller gehen muss. Satelittenbilder zeigen, wieviel reiner Luft und Wasser sind, wenn wir nur einige Wochen weniger produzieren! Hoffentlich fällt uns dann mehr ein, als Abwrackprämien zur Ankurbelung der Wirtschaft.
Hoffentlich vergessen wir auch nicht, dass die Leistungsträger nicht nur in den Chefetagen sitzen, sondern auch in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, den Supermärkten und bei den Rettungsleitstellen. Und hoffentlich zeigt sich diese Erkenntnis nicht nur in Lobreden und Applaus, sondern führt zu besseren Arbeitsbedingungen.
Diese Zeit hat Wunden gerissen in so vieler Leben. Wir müssen gemeinsam nach Wegen suchen, sie zu heilen. Dazu brauchen wir Gottes guten Geist, der uns Einsicht, Phantasie und Geduld schenkt und bitten: „Du bist meine Hilfe; verlass mich nicht und tu die Hand nicht von mir ab, Gott mein Heil“
Denn wir dürfen mit dem Psalmbeter darauf vertrauen: Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.

Lied: EG 432 Gott gab uns Atem


Fürbitten
„Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?“
Gott, wir bringen vor Dich alle, deren Herz voll Angst und Sorge ist, um sich und andere,
die sich der Panik manchmal nicht erwehren können.
Für sie und uns bitten wir: Gedenke an Deine Verheißung "Ich bin bei euch".


„Eines aber bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne“
Wir bringen vor Dich alle, die schmerzlich Nähe und Gemeinschaft, Freiheit und Unbeschwertheit entbehren. Für sie und uns bitten wir: Gedenke an Deine Verheißung "Ich bin bei euch".


„Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe“
Wir bringen vor Dich alle, denen die Einsamkeit schwer auf der Seele liegt,
deren Arbeit durch die Schutzmaßnahmen bedroht ist, die große finanzielle Sorgen haben,
die sich von den vielen Neuerungen und Notwendigkeiten überfordert fühlen
Für sie und uns bitten wir: Gedenke an Deine Verheißung "Ich bin bei euch".

„Denn Du bist meine Hilfe, verlass mich nicht“
Wir bringen vor Dich alle, deren Gesundheit und Leben besonders gefährdet sind, die Kranken, die Sterbenden und alle, die sie lieben und für sie sorgen.
Für sie und uns bitten wir: Gedenke an Deine Verheißung "Ich bin bei euch".

„Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen“
Wir bringen vor Dich alle, die in dieser Welt gestorben sind. [Stille]
Für sie und uns bitten wir: Gedenke an Deine Verheißung "Ich bin bei euch".

Stille

Vater unser
Segen

Orgelnachspiel