Telefonischer Ostergottesdienst aus St. Jürgen während der Zeit des Lockdowns

Predigt am Ostersonntag, den 12. April 2020

Am Ostersonntag hatten wir zu einem Telefongottesdienst aus unserer Kirche eingeladen. Um 10.30 Uhr  erklangen die Glocken; die Orgel und vertraute Stimmen aus der St. Jürgen Kirche und aus den Wohnstuben kamen übers Telefon in die Häuser.  Beteiligt waren : Doris to Baben, Volker Hansen (Technik)  Pastor Stefan Henrich , Pastorin Sylvia Meyerding, Küsterin Heike Thordsen,  Eike, Gerburg und  Klaus Ullrich und Elena Zhitina (Orgel). Mit Psalm, Gebet und  Evangelium, mit Lied, Orgelspiel und Segen konnten wir im Geiste nah und telefonisch vernetzt Ostern feiern, wir entzündeten die Osterkerze und sieben Glockenschläge trugen die sieben Vaterunser-Bitten hinaus. Ostergrüße der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorher und nachher rundeten diesen besonderen Ostergottesdienst ab.

Hier die Predigt von Pastor Stefan Henrich:

Liebe Ostergemeinde draußen in den Stuben,
ich habe schon an vielen ganz unterschiedlichen Stellen gepredigt, dass ich aber in unserer St. Jürgen Kirche per Telefon am Ohr eine Osterpredigt halten würde..., wenn mir das einer erzählt hätte vor einem viertel Jahr, dann hätte ich wohl gesagt "Ja, Ja, red mal nur weiter…"

"Ja , ja red mal nur weiter", das haben vermutlich auch die Leute gedacht, denen die Frauen am Ostermorgen erzählt haben, dass Jesus lebt und dass er seinen Jüngern erscheinen würde in Galiläa.

Und wenn dann noch jemand gesagt hätte, dass daraus eine weltweite Kirche werden würde, in der zweitausend Jahr später sich die Leute zwar nicht treffen aber trotzdem das Fest der Auferstehung Jesu feiern würden..., räumlich getrennt und doch im Geist nah beieinander…., ja wenn das jemand gesagt hätte, dann wäre das wohl ein Fall für den Arzt oder die Ärztin gewesen

All das aber ist nun genauso gekommen, wie wir das vor Monaten noch nicht für möglich gehalten hätten.
Ein winzigkleiner Virus hebt die Welt aus den Angeln, unser ganzes Leben ist wie auf den Prüfstand gestellt.
Keine unserer Gewohnheiten ist unberührt, so viele vermissen Berührung, Nähe und Begegnung vor allem im Freundes- und Familienkreis aber auch bei uns in der Gemeinde. Und wir merken, was uns fehlt und wie wertvoll aber auch selbstverständlich uns das Gewohnte gewesen ist.
Mit einmal sind da schlagartig über die ganze Gesellschaft gezogen die Ängste um die eigene Gesundheit und um das Wohl der Älteren und Kranken, die Sorge um die eigene berufliche Existenz und wird das Geld reichen um die Kinder zu ernähren oder den eigenen Betrieb aufrecht zu erhalten?

Die Verunsicherungen und Erschütterungen sind tief und doch gibt es im Sogfeld der Krise auch so viel Ermutigendes.
Wir merken, dass wir nicht wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren müssen, sondern dass ganz im Gegenteil neue Kräfte uns zukommen.
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, so hat der Dichter Hölderlin gesagt, was wir in allen Ängsten auch erleben in dieser Zeit.

Dabei geschieht Erstaunliches : Wir sehen weniger auf uns selber, sondern richten den Blick mehr auf den anderen. Wo braucht sie oder er Hilfe, wo können wir füreinander etwas tun?

Ein kleines Beispiel?
Im Kirchenbüro wurde eine Klarsichthülle abgegeben mit zwei bunten fröhlichen selbstgemalten Osternbildern. Juliane hatte sie gemalt für die älteren Menschen unserer Gemeinde. Auf einem Bild kommt ein Mädchen zu Besuch. Die Tür ist noch dicht, aber ein Fenster ist offen, die Sonne lacht und am Himmel ist eine Bordüre mit Eis geklebt, kein Eis voller Eiseskälte sondern Speiseeis in der Waffel und Eis am Stiel- auf dass wir es einmal wieder gemeinsam essen können, so verstehe ich das Bild.

Auf dem anderen Bild fliegen Vögel am Himmel, und ein Schmetterling und eine Biene um eine Blüte. Dazu erreichten mich gestern andere Bilder und Basteleien, wir werden sie in die Pflegeheime bringen diese Bilder des Lebens, Gaben der Freude österlich gefärbt.
Ich weiß, dass es fast unmöglich ist, übers Telefon so ein Bild zu sehen, aber ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das fast gelingt.

Ich kann mir auch vorstellen, dass es in diesem Jahr ganz neu, weil anders gelingt die ursprüngliche Ostergeschichte mit dem Herzen zu lesen. Weil wir mit anderen Ohren hören, wie die Trauer  um Jesus umgewandelt wird in die kaum zu glaubende Botschaft, dass der Tod nicht die letzte Macht hat über uns.
Drei Freundinnen und Begleiterinnen Jesu waren frühmorgens ans Grab gegangen um dem Toten einen letzten Liebesdienst zu erweisen. Sie wollen ihn mit wertvollen Ölen salben. Das Herz ist schwer, der Stein vor dem Grab auch.
Wer wälzt uns den Stein weg, so lautete die bange Frage,
die Antwort findet kaum ist sie gestellt.
Der Stein ist weg. Im offenen Grab sitzt ein weißgewandeter Jüngling.
Er sagt, dass Jesus nicht hier ist aber er ist doch da,- ist da, wo die Frauen und Männer, seine Jünger mit ihm waren und wird da sein wo Menschen ihm nachfolgen.

Ihr werdet ihn sehen, so hören die Frauen die Botschaft von der Auferstehung, die alles Erwartete sprengt.
Furcht und Entsetzen ergreift die Frauen, dann aber nach gutem Zuspruch und einem vermutlichen Moment der Schockstarre rennen sie los: das müssen sie erzählen, das muß hinaus aus eigener Seele hin zu allen, die auf das Leben warten.
Das Leben, das Jesus gab für uns, dürfen die Frauen als erste tragen in die Not der Welt und des eigenen Herzens hinein.
Diese Wendung von Sorge und Trauer hin zu einem Leben, dass die Isolation der Verzweiflung aufbricht, bildet den Kern der Ostergeschichte.
Die davon ausgehende Kraft nährt und beflügelt, gibt Lebensmut und wirkt Freude: Am Leben,  dass Gott da ist und Christus und Du eben auch. Jetzt und hier im Geist und telefonisch verbunden, weit weg und trotzdem ganz nah.
Das Licht des Ostermorgens leuchtet heute anders, aber es leuchtet. Amen