Pfingstpredigt am 31. Mai 2020 in St. Jürgen, gehalten von Pastor Stefan Henrich in einem musikalischen Gottesdienst mit Jens-Peter Müller (Geige und Gitarre) und Hinrich Langeloh (Concertina)

Predigttext Apostelgeschichte 2,1-21:

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort.
Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.
Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.
Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde des Tages; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5):
»Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.
Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf; die Sonne soll in Finsternis verwandelt werden und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt.
Und es soll geschehen: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.«


Liebe Gemeinde

Die Stadt ist voll, die Grenzen sind offen.
Aus aller Welt sind Leute gekommen ein schönes Fest zu feiern.
Kein Abstandsgebot schafft Distanz. Verschiedene Sprachen klingen durch die Gassen, nicht jeder versteht jeden. Wein fließt in Strömen aus Bechern in Kehlen,  irgendwann liegen eben noch Unbekannte einander in den Armen.
Die Türen zum Tempel stehen offen. Gott wird gelobt und gepriesen für seine Schöpfermacht. Das jüdische Wochenfest (Der Evangelist Lukas nennt es Pfingstfest...)  ist ein bunter Markt voller Möglichkeiten mit internationalem Flair.
Auch die Jünger Jesu sind da.
Die um sie wogende Festfreude hat es schwer ihre Herzen und Sinne zu erreichen. Noch sind sie gefangen in ihren Ängsten und in der Trauer um ihren Meister.
In einem Raum hocken die Betrübten, von draußen dringt der Festlärm hinein. Das macht die eigene Trauer nur größer.
Was hatte Jesus geheimnisvoll andeutungsreich gesagt, als er Abschied von ihnen nahm:
Ich will euch einen Tröster senden, dass er bei euch sei in Ewigkeit. (Vgl. Johannes 14,16)

Was für ein Trost wäre jetzt passend?
 
Welchen Trost braucht der alte Mann im Pflegeheim, der bis heute nicht verstanden hat, warum seine Kinder ihn nicht mehr besuchen kommen. Seine Winterschuhe stehen noch unter dem Bett. Was wäre das, wenn jemand käme und mit ihm an den Hafen ginge auf ein Eis oder Fischbrötchen.

Glücklich dagegen kommt das Kind nach hause. „Wir haben an der Kirche Wettrennen gemacht, immer um die Kirche rum mit Roller und Fahrrad. Und dann sind wir in einen Baum geklettert, ganz weit hoch. Das war schön und morgen darf ich wieder zur Schule.“
Das andere Kind erzählt: „Für Religion sollten wir online die Geschichte vom Turmbau zu Babel suchen.
In der Geschichte verstehen sich alle Menschen und bauen eine schöne Stadt, dann aber wollen sie einen Turm bauen, der bis in den Himmel reicht. Wisst ihr, was Gott da macht? Er macht, dass einer den anderen nicht mehr versteht, und so kriegen die Turmbauer Streit und hauen alle ab von deer Baustelle.
Im Internet hab ich ein schönes Bild davon gesehen, das war ein dicker Turm, aber er reichte nicht in den Himmel. Breughel glaub ich hieß der Maler…“

„Was machen wir zu Pfingsten“, fragte die Mutter.
In der Zeitung hatte sie gelesen, dass in einem Naturschutzgebiet an der Schlei ein seltener Vogel erstmalig gesichtet worden sei. Ein Mongolenregenpfeifer sei das, auf dänisch heißt der Regenpfeifer „præstekrave“,- Priesterkragen, so wußte sie zu erzählen
„Wollen wir da nicht hin an die Schlei?“
Zum Glück guckten die naturbegeisterten Eltern noch mal in die Zeitung. Das eigentlich öffentlich zugängliche  Nauturschutzgebiet sei geschlossen worden, rücksichtslose Zeitgenossen hatten da jedes Gespür für die Natur und Tierwelt vermissen lassen. Abstandsgebote und und das Einhalten der Naturschutzregeln hatten überhaupt nicht funktioniert.

Die Mutter, die sich sehr auf den Ausflug gefreut hatte sagte dann auch ein bisschen resigniert: „Welcher Geist treibt diese Leute?  Am besten schreibt die Zeitung gar nichts mehr über seltene Vögel, das wäre der beste Schutz für die bedrohte Kreatur.“ Und ein bisschen selbstkritisch fügte sie dann hinzu. „Na, wir hätten uns vielleicht auch ein anderes Ziel suchen sollen.“ Und das taten sie auch. Sie gingen morgens mal wieder in die Kirche zum Pfingstgottesdienst. Dort gab es auch einen Vogel am Altar zu sehen, das war die Taube als ein Zeichen für den Heiligen Geist, danach ging es in den Volkspark zum Picknick.

Welchen Trost brauchen wir, welchen Trost brauchen Sie persönlich, welcher Geist soll uns leiten? Die Pfingstgeschichte gibt eine eigene Antwort:

Heiliger Geist fährt wie frischer Wind und reinigendes Feuer unter die Jünger. Sie werden aus lähmender Trauer hochgerissen. Über den Köpfen zündeln Flammen ohne die Häupter zu verbrennen. Begeistert fangen die eben noch Stummen an zu predigen und wer noch denkt „Lass die mal, die versteht ja doch keiner“, der versteht tatsächlich selber nichts von dem was hier nun abläuft.
Die Festgäste aber in all ihren Fremdsprachen, die verstehen, was die Jünger sagen.
In  nie gehörter Vielfalt reden die Jünger von den großen Taten Gottes und die es hören, sind bis auf ein paar Zweifler begeistert.

Die Zweifler, die dem ganzen nicht trauen, fragen ein wenig spöttisch: Sind die da alle betrunken?
Aber Petrus stellt klar, dass das so früh noch nicht der Fall ist. Das ist kein Fall fürs  Konterbier und das hier ist auch kein zeitig früher Stammtisch, nein, das ist die Ausgießung des Heiligen Geistes und darunter verändert sich die Welt.
Petrus erinnert in diesem Zusammenhang alte prophetische Worte, nach denen Alte und Junge Träume und Visionen haben sollen. Jungen und Mädchen und Frauen und Männer sollen weissagen , also weise Dinge sagen und nicht dummes Zeug, und Gottes Geist soll sie leiten und verbinden was zerbrochen ist.

Das Fest wird noch mal so schön,  3000 Leute lassen sich an Ende des Tages taufen, was für ein Anfang für eine weltweite Zeitenüberdauernde Bewegung.
2000 Jahre später feiern wir das Fest in unserer Kirche ganz anders mit allen Einschränkungen auch, die die Achtsamkeit gegenüber dem Virus noch gebietet.
 
Eine Frage hat sich mir dabei aufgetan: Ist nicht das, was wir zur Zeit erleben, unter anderen Vorzeichen ganz ähnlich dem, was in der Turmbaugeschichte geschah?
Dort das monumentale Bauwerk, das in den Himmel ragt.
In unserer Gegenwart das winzig kleine Virus, dass alle Lebensbezüge erfasst.
Damals der Mensch, der in seiner Hybris den Himmel stürmen wollte, heute wir in einem oft rücksichtslosen Umgang mit Natur und Kreatur.
Es ist ja eine der Thesen zu Covid -19, dass aufgrund vielfach zerstörter Lebensgrundlagen gefährliche Viren von Wildtieren viel leichter überspringen können auf den Menschen, der ihnen einfach zu nahe gekommen ist.
Das Virus heute wirkt in alle sozialen und kreatürlichen Beziehungen hinein, während beim Turmbau zu Babel ausschließlich die soziale Einheit durch die Sprachverwirrung gestört wurde.
Beim ersten Pfingstfest war es dann so, dass der von Jesus gesandte Geist der Wahrheit, der Tröstergeist, die babylonische Sprachverwirrung auflöst  in der Form, dass in der sich gründenden Kirche alle sozialen Verwerfungen  aufgehoben wurden in ein gegenseitiges Verständnis gelungener Lebensbezüge hinein.

Frage heute:
Ist es von Pfingsten herkommend eine der großen Aufgaben für uns in den Kirche auf ein ausgewogen gutes  Verhältnis von Mensch und Tier  in intakter Natur im Zusammenspiel mit anderen gesellschaftlichen Gruppen hinzuwirken?
Dass wir dabei Gott als den Schöpfer und Christus als unseren Retter anerkennen und uns durch ihrer beider heiligen Geist leiten lassen, das wäre die beste Grundlage für alle Visionen und Weissagungen von denen der Prophet Joel kündet. Dass die Stimmen der Kinder und Jugendlichen gehört werden (und das nicht nur freitags...), die Stimmen der Alten aber auch.
Eine Stimme Anfang Mai dabei klang überraschend, nicht wegen des Inhalts, aber weil man solche Worte eher aus anderem Mund erwartet hätte:

„Die Coronakrise ist ein Weckruf, mit Natur und Umwelt anders umzugehen.
Deswegen können wir nicht einfach zur Normalität der Globalisierung zurückkehren.
Der Immer-Weiter-Schneller-Mehr-Kapitalismus muss aufhören.“

Wissen Sie, wer das gesagt hat ?
Das war nicht Katja Kipping von der Linken und auch nicht Papst Franziskus aus Rom, das war Gerd Müller der Bundesentwicklungsminister, und der ist in der CSU.
Manch einer hätte aus seiner solche Worte eher nicht erwartet, aber unsere Erwartungen sind zum Glück nicht das Maß der Dinge. Der Entwicklungsminister sagte auch es stelle sich die Sinnfrage, denn: „Jedes einzelne Leben ist nur ein Flügelschlag in der Geschichte des Planeten. Wir tragen Verantwortung für die nächsten Generationen und Verantwortung vor Gott.“
(Quelle: rp-online.de/politik/deutschland/mueller-fordert-zum-erdueberlastungstag-abkehr-von-kapitalismus_aid-50338885, abgerufen am 30.05.2020)

Pfingsten 2020,-  der Geist weht im Flügelschlag eines jeden Lebens. Vieles ist anders, anderes ist zum Glück geblieben. Zum Beispiel das::
Der Tröstergeist ist der Geist der Wahrheit. Um die dürfen wir bitten und uns daran halten. Amen