Vom Sämann, dem Acker und von meinem Leben. In die Erde gesät und auf Schnee geschrieben

Eine Lesepredigt zum Sonntag Sexagesimae von Pastor Stefan Henrich

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu Jesus eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Lukas 8, 4-8



Liebe Gemeinde,

während wir in diesen frostig kalten Tagen im besseren Fall übers schneebedeckte Feld oder durch wintergewölkte Straßen wandern, stellt uns Jesus einen Acker aus dem orientalischen Winter vors Auge, auf dem ein Bauer Samen sät. Der Acker hat es in sich, da ist nicht alles gute tiefe Muttererde, vielmehr liegen Steine und Felsbrocken versteckt unter der Bodenkrume, an anderer Stelle schlummert Distelsaat im Boden und dort führt ein winterlicher Trampelpfad über die Länge des Ackers hinweg.
Heutige Landwirte würden sagen, was ist das denn für eine Wirtschaft! Zur Zeit Jesu aber war solch ein Acker der Normalfall der bäuerlichen Bemühungen.
Und so tut der Bauer das Gegebene, er nimmt die Kornsaat mit aufs Feld, trägt sie vermutlich in einem Beutel oder in einem dicht geflochtenen Korb. Daraus nimmt er langsam vorwärts schreitend immer wieder eine Handvoll Samen und schmeißt den mit schwungvoller Geste auf das Feld in der Hoffnung, dass die Saat aufgeht und er gute Ernte hat später.
Im Schwung der Bewegung aber fallen Samenkörner auch auf den Trampelpfad, sind dort leichte Beute für die Vögel.
Was werden die sich gefreut haben. Ich höre es zwitschern und tirilieren unter den Sperlingen bei der Beute und wenn ein Mensch des Weges kommt, dann stöbern die Vögel schimpfend auf, anschließend gibt es Haferflocken, weil der Mensch das Korn zertritt, - doch, auch davon erzählt Jesus.

Andere Samenkörner fallen auf felsigen Boden, die feuchte dünne Ackerkrume lässt wohl junge Saat sprießen, aber wer keine Wurzeln schlagen kann, geht ein wie eine Primel, spätestens dann, wenn die Sonne hochkommt.   
 
Drittens, man mag es kaum mehr hören, wieder anderes Samenkorn fällt unter die Dornendistelsaat und die überwuchert und erstickt das Getreide, das den Weg zum Himmel sucht. Allmählich ist es zum Heulen und zum Haareraufen, wer möchte in der Haut des Bauern stecken? Und dabei sind noch nicht einmal die großen Katastrophen über den Acker herein gebrochen. Keine Heuschreckenplage, keine Dürre und kein Mehltau, der alles erstickt und tötet.

Aber Schwund gibt es eben, dreimal benannt, was ist mit dem Rest?
Jesus kommt darauf zu sprechen, prägnanter geht es nicht: „Und einiges fiel auf gutes Land, und es ging auf und trug hundertfach Frucht.“

Atempause und Frage:
Hundertfache Frucht, gibt es das beim Getreide?
Was zuerst über die Maßen hoch erscheint, das kann es in den ursprünglichen Wildformen des Weizens doch gegeben haben. Dann nämlich, wenn ein Haupttrieb des Weizens Seitentriebe gebildet hat, - im Fachjargon der Biologen nennt man das Bestockung, - und wenn man dann pro Ähre etwa 30 Körner ansetzt, dann müsste man pro Samenkorn von einem Stock mit drei Trieben ausgehen, und schon wäre man fast bei der hundertfachen Frucht. Reiche Ernte wäre das, was würde der Bauer sich freuen.
Jesus sagt, so geht es, und wer Ohren hat, der höre!
 
Was für eine Botschaft hat Jesus mit dieser ganz ursprünglichen einfachen Geschichte übermittelt?
Der Grundton der Deutung ist ein immer hoffnungsvoller Realismus:
Am Ende ist Freude und Fülle, keine Mühsal und kein Scheitern haben das letzte Wort, sondern vielmehr Gelingen und neue Lebensgaben stehen da auf dem Acker, dem vierfachen, dem dreifach mühsamen und dem schlussendlich einfach fruchtbringenden.

Was für eine Mutmachgeschichte ist das alleine, wenn ich sie auf mein Leben hin lese!
Ich muss mich nicht von den Defiziten meines  Lebens bestimmen lassen, sondern darf vielmehr aus der Fülle der Gaben Gottes leben. All das, was nicht geglückt ist, was zertreten, gefressen, erstickt und dürre geworden ist im Leben, beginnt in einem anderen Licht zu leuchten, wenn ich die Botschaft Jesu an mein Herz lasse und vom ihrem Ende her verstehe:
Ende ist nicht da, wo die Geier kreisen und sich auf mich stürzen wie die Spatzen auf die Körner, die auf dem Weg liegen. Nein, im Ende ist Anfang, weil Ernte ist und die hat ein anderer heraufgeführt und nun ist Frucht da, reichlich und nahrhaft und gleichzeitig trägt die den Keim zum neuen Leben in sich.

Es geht in der Geschichte von dem Sämann zentral auch um die Frage, ob es gelingen kann die Fehler und Versäumnisse, die Enttäuschungen und Entbehrungen des eigenen Lebens zu integrieren in den Glauben hinein, dass ein anderer alles, aber wirklich auch alles hinein wendet in seinen Frieden hinein und uns selig macht.

Dieser andere ist nach unserem Glauben Jesus Christus, der die Nachtschattenseiten unseres Lebens im Licht seiner Barmherzigkeit heilsam hell macht, hoffnungsfroh. Von seinem Licht umleuchtet darf ich meine Schattenseiten ansehen, ohne dass ich mich im Sog der Dunkelheit verlieren muss.
Realistisch darf ich sein, aber hoffnungsfroh darf ich bleiben. Belastendes darf ich ablegen und mit Bitten und Gebete darf ich zu Gott kommen, darf zusammen mit Jesus sagen: Vater unser im Himmel, dein Reich komme und dein Wille geschehe, mach es gut mit mir und meinem Nächsten, schütze alle, die in Not sind und bewahre uns vor dem Bösen.

Zum Schluss:
Nicht auf den Acker gesät aber mit dem Finger in den Schnee auf die Kühlerhaube geschrieben hat ein unbekannter Straßenkünstler „Jesus love you“.
Der Satz ist grammatikalisch nicht ganz richtig, aber die Botschaft kam an, als ich bei einem Abendspaziergang das verschneite Auto am Straßenrand sah. Ich freute mich, wohl wissend, dass Sonne oder Motorwärme die Botschaft wegtauen würde. Ob diese Botschaft es schaffen würde, hundertfach gelesen zu werden? Bei mir jedenfalls wirkte sie anhaltende Freude. Amen