Predigt am Sonntag Trinitatis am 07. Juni 2020 von Pastor Stefan Henrich:

Predigt am Sonntag Trinitatis am 07.Juni 2020 von Pastor Stefan Henrich:

Predigttext 4 Mose 6,22-27

Und der Herr redete mit Mose und sprach:
Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:

Der Herr segne dich und behüte dich;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.



Liebe Gemeinde,

es gibt Worte, die ich nicht missen möchte im Gottesdienst. Die eben gehörten Segensworte gehören dazu.
Normalerweise hören wir sie am Ende des Gottesdienstes bevor die Türen sich öffnen und es hinausgeht in den weiteren Tag hinein. Dreifach entfaltet wird Gottes Name über der Gemeinde genannt und doch ist jede und jeder ganz persönlich gemeint: Du, mit allen Fasern deines Körpers und allen Empfindungen deiner Seele sollst behütet und gesegnet sein, dir gilt die Gnade Gottes. Sein Antlitz leuchtet über dir. Gott schaut dich an und schenkt dir Frieden, der hinaus strahlt in diese Welt und seinerseits Segen wirkt.

Ein Kind hat hat mir einmal auf schönste ihm gemäße Art verdeutlicht, was dieser Segen bedeutet:
„Mach noch einmal den Engel“ sagte das Kind draußen vor Kirche und  ich wusste zuerst gar nicht, was es meinte. Als das Kind meine fragenden Augen sah, da hob es die Arme und sagte: „So wie zum Schluß, und was du da gesagt hast.“
Da dämmerte es mir, dass die Geste des Segens mit den unter dem Talar erhobenen  Händen und den offenen Handflächen wie Engelsflügel gewirkt hatten, und die Worte dazu hatten das Kind erreicht ohne dass es wahrscheinlich doch wusste, was sie im einzelnen bedeuten.

Zum Wort kommt die Geste, die zum Himmel erhobenen offenen Hände sind ein Zeichen des Friedens, den wir von Gott erbitten.
Der Theologe Fulbert Steffensky sagte einmal dazu: „Es ist ein anderer Friede da als der mit Waffen erkämpfte und eroberte. Der Ausgang und der Eingang sind nicht  von den eigenen Truppen bewacht, sie sind von Gott behütet. Welche Erwachsenheit, wie viel Agressionslosigkeit und wie viel Mut gehören  dazu, nicht  auf  sich  selber  zu  bestehen  und  auf  alle  Panzer  des  Selbstschutzes  zu  verzichten.  Sich  der Güte des fremden Blicks zu verdanken, sich segnen zu lassen, ist eine hohe Kunst“.

Das Kind beherrschte diese Kunst...

Wie sehr stehen die Bilder der letzten Woche vom finster drein blickenden Präsidenten dagegen, der sich den Weg freiräumen ließ um sich ablichten zu lassen mit der Bibel in der Hand, als sei diese ein Faustpfand für den Einsatz des Militärs gegen friedliche Demonstranten.
Das Zeichen, das er gab, wirkte auch deshalb so fatal, weil er vor der Kirche kein Wort zum brutalen Tod von George Floyd sagte und nicht den alltäglichen und verbrecherischen Rassismus verurteilte, welcher doch Auslöser für die vielen Demonstrationen und Trauerbekundungen ist.

Segensworte sprechen eine andere Sprache in der Form der Bitte um Frieden, Schutz und Wohlergehen für alle Menschen.

Das deutsche Wort „segnen“ kommt dabei vom lateinischen „signare“, das bedeutet auch „ein Zeichen geben“ und segnen selber heißt  lateinisch „benedicare“.
Wörtlich heißt das „ gut sprechen“ und meint doch, dass wir im Segen gutes Geleit in die Zukunft hinein erbitten.

„Ich geb dir einen Engel mit“ so erzählte ein älterer Kollege, hatte seine Mutter früher immer zu ihm gesagt, wenn er zur Schule ging und sie ihm einen Kuß auf die Stirn drückte. Das ist auch ein Segenswort und eine Segenshandlung, eine die kindgemäßer ist, aber ich glaube  Kinder können auch Gottesworte der Bibel mit dem Herzen verstehen. Und um ein solches handelt es sich bei dem Segen, den wir am Ende des Gottesdienstes sprechen und hören.
Gott sagt zu Mose und Aaron: So sollt ihr die Israeliten segnen, sagt ihnen genau diese Worte.
Wir evangelische Christen sprechen diese Worte auch als ein Zeichen der Verbundenheit mit unseren jüdischen Geschwistern und weil sie als Gottes eigenes Wort wertvolles Geschenk sind für alle, die Segen empfangen und weitergeben.

Ein genauerer Blick auf die vertrauten Worte brachte für mich noch einmal Überraschendes hervor.
Die Zahl der Worte steigt im hebräischen Urtext in den drei Teilen des Segens von drei auf fünf und sieben. Die Fülle nimmt zu, wobei jeder Vers zwei Verben enthält. Zeichen für ein lebendiges Geschehen zwischen Gott und den Menschen.

Die erste Zeile erbittet ganz grundsätzlich Segen und Schutz.
In einem fast ebenso alten Segenswort aus der Qumrangemeinde, die nahe am Toten Meer lebte, heißt es ganz ähnlich und doch wie zur Veranschaulichung:

„Er segne dich mit allem Guten und schütze dich vor allem Bösen.“

Alles Gute meint dabei wirklich alles: von den irdischen Gütern angefangen bis hin zum Glück für alle Vorhaben.

Die zweite Zeile weiß Gottes Gegenwart als ein leuchtendes Antlitz zu malen.
Jedes Kind, das das Glück hatte, dass Mutter oder Vater sich in liebender Freude über die Wiege beugten, kann nachempfinden, was mit dem leuchtenden Angesicht gemeint ist.
Wenn wir von leuchtenden Augen sprechen, dann wissen wir, dass dieses Leuchten aus einem vollen Herzen kommt. Wie viel mehr ist das leuchtende Angesicht die herzliche Liebe, die sich uns zuneigt.

Vor Gott, so heißt es, ist kein Ansehen der Person, das heißt, es geht hier nicht um Äußerlichkeiten, aber Gott sieht uns an mit der innerlichen Leuchtkraft  einer liebenden Mutter, eines liebenden Vaters.

Welche Verkehrung von Gottes Zuwendung zur Welt, wenn wir uns abwenden voneinander und meinen die eine Hautfarbe ist besser als die andere, das eine Geschlecht wertvoller als die anderen. Der Wert eines jeden Menschen liegt doch darin begründet, dass wir von Gott angesehen sind, das heißt doch wir haben Ansehen, Wert und Würde vor Gott und sollen die nicht gegenseitig kaputt machen.
 
Ein Vers der chilenischen Dichterin Gabriela Mistral heißt: „Wenn du mich anblickst, werde ich schön“.

„Die Schönheit, die Kraft, die Lebensstärke und die Ganzheit garantieren  wir  uns  nicht  selbst. Wir haben sie im Blick, der auf uns ruht.“ (Fulbert Steffensky)

Ich bin beim dritten Teil des Segenswortes angelangt.

"Gott hebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden."

Auf den Frieden läuft alles zu in dem Segen, den Gott uns schenkt. Dieser Frieden ist innerliche Kraft und äußere Tat, er ergreift alle Menschen guten Willens, die bereit sind, sich Gott und seinem Wort zu öffnen.

Noch einmal zurück zu den Demonstrationen gegen Rassismus  in den USA:

Ich weiß nicht, ob sie die Szene gesehen haben als bei einer Demonstarion ein 75jähriger Mann von einem Polizisten umgestoßen wurde.
Der Polizist schien seine Tat augenblicklich zu bereuen,  wandte sich dem am Boden liegenden zu, hob sein Angesicht über ihn und schaute ihm den Bruchteil einer Sekunde  in die Augen. Ehe er ihm aber seine Hand reichen konnte, drückte ein anderer Polizist ihn weg und zog ihn fort.
Derjenige, der helfen wollte und dies in der Hinwendung seines Angesichtes zum Ausdruck gebracht hatte, hatte leider nicht den Mut, dem Kollegen in die Parade zu fahren und umzukehren zu dem, der Hilfe brauchte.

Wenn es von Gott heißt, dass er sein Angesicht auf uns hebt und uns Frieden schenkt, bedeutet dass auch, dass unser Blick sich öffnet für und gegen die Not, in der wir gebraucht werden.

Zum Schluß: Wer segnet?
Der Pastor oder die Pastorin segnen, Eltern segnen ihre Kinder und Kinder ihre Eltern mit guten Worten, selbstgemalten Bildern und manchmal rotzigen Nasen. Sterbende legen ihren Segen auf ihre Nachkommen und dann einmal auch werden wir das Zeitliche segnen.  Dichter segnen ihre Leser und Musiker ihre Hörer mit ihrer Kunst.

In all dem und vielem mehr aber segnet Gott mit dem guten Gaben seiner selbst und seinem Namen, den er auf uns legt, - uranfänglich in der Taufe mit dem Wasserzeichen seiner Liebe und wieder und wieder mit den Segensworten, die uns hinausgeleiten aus dem Gottesdienst in den Alltag unserer Welt, damit sein Frieden sich entfaltet in uns und um uns.
Amen