Trinitatis - Fest der Dreifaltigkeit Gottes 30.05.2021 Spiegeleier in der Nacht oder von Sarah, Bosse und Nikodemus und einer Taufe am Morgen. Eine Predigt von Pastor Stefan Henrich

Predigttext Johannes 3,17:

Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster der Juden. Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. 6Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von Neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeder, der aus dem Geist geboren ist.

 

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

Liebe Gemeinde,

Oh, wie bitter war das gestern abend!

Eine schöne Fußball-Party hatten sie feiern wollen und nun mußten sie die Niederlage hinnehmen.

Sie tanzten trotzdem und verneigten sich im Geiste vor der Mannschaft, die ihnen so schöne Momente geschenkt hatte über die ganze Saison und eine hatte die Stimmung gerettet, als sie fast trotzig sagte: „Und in der nächsten Saison freuen wir uns dann eben auf die Spiele gegen Bremen, Schalke und den HSV...“

Nun aber war die Nacht vorgedrungen und die Musik verklungen, die meisten Gäste waren weitergezogen oder eingeschlafen, der harte Kern saß in der Küche und machte Spiegeleier.
Über den Speck dazu hatten sie sich fast in die Haare gekriegt. „Bist du wahnsinnig, du Höllenhuhn,“ schrie jemand, „Fleisch vom toten Tier ess ich nicht, sei froh, dass ich nicht vegan bin, Eier lass ich mir ja gerade noch gefallen.“

Oje, die Welt war kompliziert geworden, das zeigte sich auch in der anschließenden Diskussion.

Die Worte gingen hitzig hin und her, sie hatten alle heißen Themen am Wickel: ob die Impfung jetzt sinnvoll sei auch für Kinder und was sie gegen den Klimawandel tun müssten, und ob es Gerechtigkeit geben könne in Nahost oder ob eh alles aussichtslos sei in der Welt.

„Ich will keine Kinder“, sagte Sarah.

Bosse, der sie gerade ganz verliebt angeguckt hatte, war irritiert. Er träumte noch immer von einer alternativen Wohngemeinschaft mit ganz vielen Kindern, wie aber wäre das öde, wenn Sarah da gar nicht mitmachte.
Zum Glück fragte sie ihn dann doch ganz direkt, ob er mitkommen würde zum nächsten Aktionstreffen. Wofür oder wogegen, das hatte er gar nicht mehr gehört. Er war nur glücklich, dass sie ihn angesprochen hatte, vielleicht war er ihr doch nicht so egal, wie er geglaubt hatte.

Irgendjemand hatte ein altes Lied in die neuen Bluetoothboxen gepustet: „Wunder gibt es immer wieder“ sang die Frau mit dem langen roten Haaren und dem Pony über den Augen in den anbrechenden Morgen hinein. Alle grölten mit, die Sängerin und das Lied war Kult, die Frisur auch.

Vier Stunden später weckte der Wecker auf dem Smartphone Bosse auf. Er sollte zur Taufe seines kleines Neffen in die Kirche. Da war er lange nicht gewesen. Ob Sarah mitkommen würde?

Sie lag neben ihm, schlief noch tief und fest. Als er sich einen Kaffee gemacht hatte, öffnete sie die Augen. Er bot ihr von seinem Kaffee an, sie nahm dankend an und fragte dann nach einem Glas Wasser. Er holte das und erzählte ihr von der Taufe, und ob sie nicht mit wolle?

Zu seiner Überraschung guckte Sarah ihn nicht entgeistert an sondern sagte: „Ja, ich komme mit, mal sehen ob in der alten Kirche wenigstens das Wasser frisch ist.“
Das war der Humor, den er so sehr an ihr mochte.

Ungeduscht aber glücklich, mit Kaffee und ein wenig Restalkohol im Blut machten sie sich auf den Weg.

Die Glocken läuteten, überwiegend ältere freundlich blickende Leute waren in der Kirche, vorne aber wartete die Familie mit einem weißen Kissen auf dem Arm, darin ein kleiner Mensch.
Sarah dachte, so klein war ich auch mal, als ich aber getauft wurde, war ich vierzehn , kurz vor der Konfirmation.

Als die Orgel einsetzte, bebte ihr Herz. Wie aus einer anderen Welt fluteten fugale Klangkaskaden den Raum und luden ihn mit Energie auf. Dass vorne ein alter weißer Mann in Schwarz stand, okay...

Die Gottesdienste, die sie aus ihrem Austauschjahr in den USA kannte waren anders, aber das Fremde hier hatte einen eigenen Reiz und eine eigene Tiefe, gerade weil es so fremd und anders war. Gib dem Fremden eine Chance, das galt auch hier und nicht nur in der Flüchtlingsgruppe, in der sie aktiv war.

Und das sind ja mal andere Gedanken, dachte sie, als der Chor in einem Maienlied von der Schönheit der Welt sang und nicht von der Bedrohung der Schöpfung. Ihr schien, sie konnte aufatmen und endlich einmal alle schweren Weltuntergangsgedanken mit allem „Du mußt... Du sollst, Du darfst nicht...“ ablegen.

Nachdenklich wurde sie, als eine Frau am Lesepult den Predigttext für den Sonntag las: Da war von einem Nikodemus die Rede, der anscheinend Schlafstörungen hatte und sich schwere Gedanken machte. Der ging nachts aber nicht nicht auf Party oder zum Kühlschrank, sondern der suchte Jesus. Er war begeistert von den Zeichen, die Jesus getan hatte und sagte ihm das auch. Jesus reagierte darauf leider etwas unwirsch:

„Wenn du nicht von neuem geboren wirst, kannst du das Reich Gottes nicht sehen.“

Nikodemus hatte dann zum Glück genau das gesagt, was sie gedacht hatte: „Wie kann jemand von neuem geboren werden, wenn er schon älter ist. Du kommst doch nur einmal heraus aus deiner Mutter Leib und dann mußt du sehen, wie du zurechtkommst im Leben.“
So hatte sie Nikodemus verstanden und Jesus hatte doch wieder ganz anders geantwortet, als sie erwartet hatte: „Wenn du nicht geboren wirst aus Wasser und Geist, kannst du nicht in das Reich Gottes kommen.“

Der Pastor hatte zum Glück nicht so viele Worte darum gemacht. Die hätte sie eh nicht begreifen können mit so wenig Schlaf. Er sagte ganz einfach:
„Die beste Auslegung und Anschauung der Predigtworte liegt in der Taufe, die wir jetzt feiern.“

Und dann war es richtig schön geworden, er hatte was zu dem Kind und zu den Eltern und Paten gesagt, und dass der Geist Gottes mit dem Wasser der Taufe auf das Kind gegossen würde. Das Kind sei Kind seiner Eltern und doch auch Kind Gottes, geliebt und gesegnet, und dann hatte er einen schönen Vers gesagt, um den hatte sie ihn nachher gefragt, der lautete so:
„Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben.“ (Apostelgeschichte 2,17)

Ja, das hatte sie angesprochen, dass gegen alle Weltuntergangsstimmungen Gott seinen Geist setzt und generationenübergreifend alle Menschen Visionen haben und Träume von einer besseren Welt und daraus entwickelt sich das Leben, dem heute kaum einer noch eine Zukunft gibt. Ob das das Reich Gottes ist?

Sie hatte auch gehört, wie der Pastor gesagt hatte, dass die Neugeburt im Geist Christi ein Geschenk des Glaubens sei. Da müsse man sich nicht mühen und abstrampeln wie auf dem Fahrrad gegen den Wind, da bekäme man Rückenwind wie von alleine, denn du kannst ja nichts eigenes tun, um geboren zu werden, das ist ausschließlich passives empfangen und werden und sein.
Wir selber neigen dazu immer was tun und aktiv sein zu wollen, hatte der Pastor gemeint, das aber alleine ist vielleicht die völlig falsche Lebenshaltung.
Das Aktive ist Leben dieser Welt, das Passive ist himmlisch. Hier ist Fleisch und Mühe, dort ist Geist und Freiheit. Beides miteinander zu verbinden ist Lebenskunst.

Bosses Neffe schrie bei der Taufe. Wasser lief über seinen kleinen Kopf. Worte klangen, Segen wurde gesprochen, eine Kerze entzündet.

Sarah sah Bosse an. Ob nicht doch vielleicht sie selber eines Tages hier stehen würde in dieser Kirche oder anderswo am Taufbecken mit einem kleinen Kind auf dem Arm?

Nein, richtig vorstellen konnte sie sich das nicht, aber alleine, dass der Gedanke da war, hatte ja schon was verändert in ihr.
Ob sie darüber mit Bosse reden könne?

Sie wollte es versuchen. Amen