Weihnachtspredigt A.D. 2020 von Pastor Stefan Henrich

Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Lukasevangelium 2,10f.


Liebe Gemeinde,

alles ist anders in diesem Jahr.
Die Stadt ist voll, Hotels und Restaurants auch.
Auf den Straßen staut es sich zurück, die Ungeduld der Reisenden ist mit Händen zu greifen. Mittendrin eine schwangere Frau mit einem Mann an ihrer Seite. Sie wirken ein wenig verloren in dem Gedränge der Menge. Sie kommen vom Land, dort ist es ruhiger. Wo wird die Frau das Kind zur Welt bringen können? Kein Zimmer ist frei, aufsteigende Angst zeigt sich im Angesicht der werdenden Eltern.
Zuletzt ein Stall, in den sie sich flüchten können, hier bei den Tieren bringt die Frau das Kind zur Welt, eine Krippe  wird zum Säuglingsbett. Windeln haben die beiden mitgebracht, weil die doch nicht im Supermarkt um die Ecke zu kaufen waren.

Alles ist anders in diesem Jahr.
Der Supermarkt hat zwar auf, aber der schöne Laden mit dem Kunsthandwerk musste schließen. Die Einkauf- und Einfallstraßen der Stadt sind ungewohnt leer, kein vorweihnachtlicher Staubericht ummantelt die Nachrichtensendungen im Radio. Dort gibt es fast nur ein Thema das ganze Jahr schon.  Das Virus und die Wirkungen, wie kann ich mich schützen oder ist die Furcht davor nicht größer als die Gefahr selbst. Nein, sagen die Fachleute und die Zahlen. Beste Freunde aus Berlin, Mediziner beide, berichten von verheerenden Zuständen dort, wo das Virus auf die leichte Schulter genommen wird.
Die Natur atmet auf sagen andere und wissen doch, dass das ein vorübergehendes Aufatmen und keine ökologische Wende ist. In den letzten Wochen wurde in weiten Teilen der Bevölkerung nichts sehnlicher erwartet als der neue Impfstoff. Die Hoffnung verbindet sich mit ihm, dass zuerst die Schwächsten geschützt werden und dann die anderen, damit die Pandemie doch aufhört durch die Welt zu laufen.

Alles ist anders in diesem Jahr.
Uralte Schriften hatten einen neuen König verheißen, einen Gott-Held, Ewigvater, Friedefürsten.
Der König Herodes fürchtet um seinen Macht, nie würde er einen Thronwechsel anerkennen. Ein Stern leuchtet über Bethlehem. Draußen auf den Feldern hüten Hirten ihre Herden bei den Hürden. Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist die Furcht vor Nachtschatten und Wolfsrissen groß. Jetzt aber beginnt es zu leuchten mitten in der Finsternis des eigenen Lebens, der Engel Gottes verkündet Freude und frohe Botschaft unter Vertreibung aller Furcht: Ein Kind ist euch geboren, welches ist Christus, der Herr in der Stadt Davids, euer Heiland. Die Zeichen dafür sind spärlich, ein in Windeln gewickelter Säugling, der in eine Krippe gelegt wird, was will das werden? Friede auf Erden und Ehre bei Gott in der Höhe?

Alles ist anders in diesem Jahr.
Kein Weihnachtsoratorium in der Kirche und an vielen Orten auch keine Gottesdienste. Dafür zuhause Andachten und Besinnung ganz eigener Art. Stille Nacht, stiller Raum und O wie lacht die Stallgeburt, das himmlische Kind.  Im Radio spielen sie wieder „Last Christmas“ und geben Weihnachtswünsche weiter: Frieden auf Erden und dass das Virus verschwindet, damit wir einander wieder in die Arme schließen können.
Alte Strophen aus dem Gesangbuch erzählen vom Leid der Zeit, aber vielmehr doch von der Hoffnung und der Kraft des Glaubens. Sie vermögen Trost zu geben weit über eigene Entstehungszeit hinaus. Nicht nur religiös Empfindsame empfangen musikalisch Balsamkraft, die unter harter Schale Verwundeten auch:

Ich lag in tiefster Todesnacht,/ du warest meine Sonne,/ die Sonne, die mir zugebracht/ Licht, Leben, Freud und Wonne./ O Sonne, die das werte Licht/ des Glaubens in mir zugericht‘/ wie schön sind deine Strahlen.  
(Paul Gerhardt 1653: Ich steh an deiner Krippen hier Str. 3)

Tief bewegt bedankt sich einer der vermeintlich Hartgesottenen, dass er Segensworte persönlich gesandt erhalten hat.
Manch einen hat diesen Jahr weicher gemacht und hilfsbereiter angesichts der Not, die augenscheinlich wurde. In vielen aber wuchs auch die Verzweiflung über die Wirkung von Lock- oder Shutdown und den immer wiederkehrenden Kontaktbeschränkungen.
Die Hilfsbereitschaft zu stärken und der Verzweiflung zu wehren durch Zeichen der Nähe und Angebote der Hilfe wird Aufgabe bleiben über Weihnachten hinaus.

Alles ist anders in diesem Jahr und doch ist das Eine geblieben:
Dass Menschen sich anrühren lassen von dieser Geschichte, die da geschehen ist in Bethlehem. Die dann Freude in sich spüren über die Geburt und das Leben des Kindes.
Die diesem Kind folgen als dem Heiland ihres Lebens. Die spüren, dass von diesem Kind ein Frieden ausgeht, der Herzen umfängt und Gestalt gewinnt in dieser Welt. Die sagen, dass Christus das Licht der Welt ist, dem wir nachfolgen dürfen bis in die Dunkelseiten des Lebens hinein. Die dann das tun, was ihnen möglich ist, um von der Strahlkraft dieses Lichtes weiterzugeben.
Die in Wort und Tat sich einsetzen für andere und selber um Hilfe rufen, wenn eigene Kräfte schwinden.
Die all das in der Krippe uranfänglich finden.
Wir bitten mit Ihnen und für Sie, dass dieses Licht des Lebens und der Liebe Gottes  leuchtet in froher Weihnacht und einem guten neuen Jahr. Amen


Weihnachtsgebet:

HERR GOTT, HIMMLISCHER VATER,
der du durch die lieben Engel den armen Hirten
 auf dem Felde hast verkündigen lassen,
sie sollen sich nicht fürchten, sondern freuen,
daß Christus der Heiland geboren ist,
wir bitten dich,
du wollest durch deinen Heiligen Geist
alle Furcht aus unseren Herzen treiben
 und diese wahre, rechte Freude in uns erwecken.
 Und wenn wir gleich hier auf Erden verachtet,
 elend, arm und verlassen sind,
wir uns doch trösten und freuen,
 daß wir deinen lieben Sohn,
 Christum unsern Herrn, zum Heiland haben,
 der um unsertwillen Mensch geworden ist,
 daß er uns wider Tod und alles Unglück helfen
 und uns in Ewigkeit selig machen wolle.
 Amen