Gottesdienst verstehen

Gottesdienst verstehen (Mai 2010)
Was unterscheidet den sonntäglichen Gottesdienstbesuch eigentlich von anderen Greffen, z. b. Konzerten, Lesungen etc. ? Was macht die Besonderheit des Gottesdienstes aus? Dumme Frage, werden Sie sagen, die Antwort ist doch ganz einfach! Aber wenn wir mal genau hinschauen, ist sie es wirklich?
Um die Frage richtig zu beantworten, müssen wir schon mit der Situation vor dem Gottesdienst beginnen: Nach und nach füllt sich der Kirchenvorraum mit Menschen. Viele kennen sich, fragen nach dem Befinden des anderen, die Ereignisse der vergangenen Woche werden ausgetauscht. Auch für „Erstbesucher“ wird es deutlich: Hier trifft sich keine zufällig zusammengewürfelte Menge, sondern „man kennt sich“. Wir sind die Gemeinde! Dieses Gemeinschaftsgefühl noch vor Beginn des Gottesdienstet ist wichtig und schön. Da kann die Glocke, die uns um 5 vor 10 zum Gottesdienst ruft, fast als störend empfunden werden.... Und tatsächlich, wenn wir den Kirchraum betreten, ändert sich die Atmosphäre: Wir treten als Gemeinde vor Gott. Wir erwarten nicht (nur) schöne Musik, aufmunternde Worte, einfühlsame Worte, einfühlsame Hilfe und bekannte Lieder, sondern wir machen uns bereit, Gottes Wort zu hören und aufzunehmen. Und das bedeutet: Wir sind aktiv am Geschehen beteiligt! In jedem einzelnen von uns geschieht innerlich sehr viel: Wir besinnen uns, spüren dem Schönen und Schweren in uns nach und lassen uns von Gottes Wort wieder neu auf den Weg bringen. Das macht den Gottesdienst so einmalig!
In diesem Sinne bis Sonntag,
Kirchenmusikerin Andrea Coch

Gottesdienst - Gott dient den Menschen (2009)
Es mag überraschen, aber das Wichtigste an jedem Gottesdienst ist, dass Gott uns einen Dienst erweist. Der Reformator Martin Luther hat das einmal auf eine sehr einfache Formel gebracht: "Gott dient uns mit seinem heiligen Wort und Sakrament". Das klingt zunächst theoretisch, im Gottesdienst wird das aber ganz praktisch.
Wenn Christen in einen Gottesdienst gehen, dann bringen sie viel mit. Sie haben eine Woche erlebt, die angefüllt war mit sehr schönen Erlebnissen oder mit schweren Stunden, mit Freud und Leid. Sie erwarten und brauchen und erhoffen sich ganz Unterschiedliches von Gott.
Für viele ist es beispielsweise wichtig, das, was sie schuldhaft belastet, Gott mitzuteilen. In ihrer Lebensführung gab es Dinge, die mit dem Gebot der Nächstenliebe nicht in Einklang zu bringen sind. Zu Beginn des Gottesdienstes können sie das vor Gott bringen, was sie belastet.
In den biblischen Lesungen hören die Feiernden Worte, die schon jahrtausendelang Menschen geholfen, sie geleitet und aufgerichtet haben. Sie hören Worte, die Menschen seit Jahrtausenden zur Umkehr von falschen Wegen gerufen haben, um ihrer selbst und ihrer Mitmenschen willen. In der Predigt wird dieses Wort Gottes aus der Heiligen Schrift dann aktuell in die Situation der Anwesenden hineingesprochen, zum Dienst an der Seele.
Im Gottesdienst empfängt die Gemeinde, was sie geistlich durch die Woche trägt. Es ist wie eine geistliche Nahrungsaufnahme. Die Gemeinde zieht aus Gottes Wort Orientierung, Halt und Trost.

(Auszug aus einem Artikel von Hanns Kerner aus "Evangelischer Lebensbegleiter")

Kirchenmusikerin Andrea Coch