Wort zum Sonntag 10052020

Das Wort zum Sonntag - 10. Mai 2020

06.05.2020

Liebe Gemeinde, König Salomo hatte um 950 v. Chr. den ersten jüdischen Tempel in Jerusalem errichtet. Im Predigttext wird die Einweihung des Tempels beschrieben, in deren Verlauf auch Gott selber in den Tempel einzieht: „Da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes.“ (2. Chronik 5,13-14)

Damals waren die Menschen durchdrungen von dem Glauben, dass Gott mitten unter ihnen wohnt. Und sie hatten die Vorstellung, dass er in besonderer Weise im Tempel zu Jerusalem zugegen ist. Andererseits war man sich bewusst, dass dieser Tempel den allgegenwärtigen, unermesslichen Gott nicht zu fassen vermag. Bei der Einweihung des Tempels fragt König Salomo erstaunt: „Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde?“ Und er betet: „Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger das Haus, das ich gebaut habe!“ (1. Könige 8,27)

Wo wohnt Gott? Kinder stellen sich zumeist vor, dass Gott oben im Himmel wohnt. Aber schon Martin Luther stellte fest: Gott ist dort oben nicht zu finden. Man brauche gar nicht erst hinaufzuklettern. Vielmehr kommt er bei seinem „Blick zum Himmel“ wieder auf der Erde an – ganz unten. Luther beschreibt den Himmel Gottes nicht als einen Raum, sondern als die Wirklichkeit Gottes. Wo Gott wirkt, da ist der Himmel – im Grunde überall.

Ähnlich steht es auch in einer jüdischen Erzählung. Ein Rabbi überraschte seine Schüler mit der Frage: „Wo wohnt Gott?“ Sie lachten und sagten: „Was für eine Frage! Die Welt ist doch voll von seiner Herrlichkeit!“ – Der Rabbi beantwortete seine eigene Frage so: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt!“

Also öffnen wir unsere Herzenstüren und lassen Gott einziehen – wie bei der Einweihung des Tempels. Gott wohnt mitten unter uns, ja mehr noch: in uns. Auch der Apostel Paulus spricht an verschiedenen Stellen seiner Briefe von dieser Erkenntnis: „Wisst ihr nicht, dass ihr ein Tempel Gottes seid und dass Gottes Geist in euch wohnt?“ (1. Korinther 3,16)

Ihnen allen Gottes Segen und herzliche Grüße auch vom Kirchengemeinderat

Ihr Pastor Norbert Siemen