Mirja Beck wechselt vom Kirchenkreis zur Nordkirche / Foto: Ahrens

Abschied und Neuanfang für Mirja Beck

05.04.2025

Drei Jahre und neun Monate war Mirja Beck die Beauftragte für Prävention sexualisierter Gewalt im Ev.-Luth. Kirchenkreis Schleswig-Flensburg. Zum 1.4.2025 wechselt sie ins Leitungsteam der Stabsstelle Prävention der Nordkirche. Präventionsarbeit ist und bleibt ihr eine Herzensangelegenheit. Der Wechsel ist ein Anlass, mit ihr zu sprechen.

Frage: Mirja, Du hast dich fast vier Jahre für die Prävention sexualisierter Gewalt in Schleswig-Flensburg stark gemacht. Wie ist es Dir ergangen?

Mirja Beck: Es war eine intensive und unglaublich bereichernde Zeit. Ich hatte die Möglichkeit, mit vielen engagierten Menschen zusammenzuarbeiten, die das Thema Prävention wirklich voranbringen wollen. Und es gab auch Herausforderungen, denn Prävention sexualisierter Gewalt trifft immer wieder auf Widerstände – was nicht überrascht, weil dieses Thema an Grundhaltungen und Strukturen rüttelt.

 

Frage: Mit welchen Erwartungen bist du hergekommen?

Mirja Beck: Kirche war für mich ein neues Arbeitsfeld. Mein Ziel war es, Prävention nicht nur strukturell zu stärken, sondern sie als gelebte Haltung zu verankern – in der Praxis, in den Strukturen und in der Kultur. Die gefährdeten Gruppen, wie zum Beispiel Kinder und Jugendliche, dürfen nicht nur als Zielgruppe von Prävention gesehen werden, sondern als Expert*innen ihrer eigenen Lebensrealität. Sie müssen gehört und ernst genommen werden.

Mir ist klar, dass Veränderungen in diesem Bereich Zeit brauchen, aber ich bin mit der Überzeugung gestartet, dass echte Veränderung möglich ist. Ich finde, die Jahreslosung „Prüft alles und behaltet das Gute“ passt sehr gut zum Thema Prävention: Sinnvolle und bewährte Ansätze weitertragen, aber auch den Mut haben, sich von überholten Strukturen zu lösen und neue Wege zu gehen.

 

Frage: Welche Erwartungen haben sich erfüllt?

Mirja Beck: Es gibt heute ein viel größeres Bewusstsein für Prävention. Viele Menschen setzen sich aktiv für Schutzkonzepte ein, hinterfragen Strukturen und wollen etwas bewegen. Besonders beeindruckt hat mich, wie viele sich mit Überzeugung und Expertise für das Thema stark machen. Ein zentraler Punkt war dabei die enge Zusammenarbeit mit Fachkräften – kirchenintern wie extern. Die Kooperation mit lokalen Fachberatungsstellen ist unglaublich wertvoll und zeigt, wie wichtig vernetztes Arbeiten in diesem Bereich ist.

 

Frage: Was ist offengeblieben?

Mirja Beck: Präventionsarbeit ist nie „fertig“. Strukturen weiterzuentwickeln, eine klare Haltung zu stärken und wirklich alle Menschen mitzudenken – das bleibt eine dauerhafte Aufgabe. Schutzkonzepte müssen mit Leben gefüllt, Menschen aktiv einbezogen werden. Der Austausch mit anderen, sowohl innerhalb der Kirche als auch außerhalb, ist dabei ein wichtiger Schlüssel. Prävention braucht Kommunikation, Reflexion und vor allem Menschen, die mutig und ausdauernd sind – aber auch offen für neue Wege.

 

Frage: Was hat dich am meisten überrascht?

Mirja Beck: Nicht überrascht, aber immer wieder bewegt hat mich, wie sehr Prävention eine Haltungsfrage ist. Es reicht nicht, Regeln aufzustellen – es geht um echten Kulturwandel. Und das braucht Zeit, aber: Warten ist keine Option.

 

Frage: Wie war dein Alltag, woran hast du hauptsächlich gearbeitet?

Mirja Beck: Mein Alltag war vielfältig – von strategischer Arbeit über Vernetzung bis hin zur Begleitung konkreter Prozesse. Ein großer Teil meiner Arbeit bestand – nicht zuletzt durch die Veröffentlichung der ForuM-Studie – auch aus Intervention. Ich sehe das als gutes Zeichen, denn es zeigt, dass Menschen hinschauen, helfen und handeln. Dass Strukturen nicht nur existieren, sondern auch genutzt werden, um sexualisierte Gewalt zu bearbeiten, statt wegzuschauen.

Tief berührt hat mich in meinem Arbeitsalltag die Begegnung mit Betroffenen. Ihnen zuzuhören, ihre Perspektiven und Anliegen in die Arbeit einfließen zu lassen, ist unerlässlich. Ihre Stimmen sind zentral – für Aufarbeitung, für Veränderung und für eine Kirche, die Verantwortung übernimmt.

 

Frage: Sexualisierte Gewalt findet vor allem im engeren Beziehungsumfeld statt. Was sind aus deiner Sicht Warnzeichen? Bei welchen Anzeichen sollten Eltern aufhorchen? Was können sie dann konkret tun?

Mirja Beck: Es gibt keine eindeutigen „Symptome“, die immer auf sexualisierte Gewalt hinweisen. Verhaltensänderungen wie Rückzug, Aggressivität oder plötzliche Ängste können Hinweise sein, müssen es aber nicht. Wichtig ist, dass Eltern ihren Kindern zuhören und ihnen glauben. Kinder sollten wissen, dass sie jederzeit über alles sprechen dürfen und ernst genommen werden. Eltern können ihre Kinder stärken, indem sie deren Grenzen respektieren, die Privatsphäre achten und das Selbstbewusstsein fördern. Bei einem Verdacht sollten Eltern Ruhe bewahren und sich an spezialisierte Fachberatungsstellen wenden, um Unterstützung und Rat zu erhalten.

Dies gilt auch für alle, die in der Kirche mit Kindern und Jugendlichen arbeiten – sei es haupt- oder ehrenamtlich. Wer in der Arbeit mit Menschen irritierende Beobachtungen macht oder sich unsicher ist, sollte dies ernst nehmen, nicht für sich behalten und sich Unterstützung holen. Ein professioneller Umgang mit Nähe und Distanz, regelmäßige Fortbildungen und die Zusammenarbeit mit spezialisierten Stellen sind essenziell, um ein sichereres Umfeld für Kinder und Jugendliche zu schaffen.

 

Mirja, vielen Dank für das Gespräch – und danke für deine engagierte Arbeit im Ev.-Luth. Kirchenkreis Schleswig-Flensburg. Gottes Segen für den Neustart in der Nordkirche!

 

Ansprechstellen bei Fragen und Meldungen:

Meldungen sexualisierter Gewalt bitte an den Meldebeauftragten Lars Wulff: Lars.wulff@kirche-slfl.de, Tel. 04621 9630747

 

Bei sonstigen Fragen sind folgende Stellen ansprechbar:

info@praevention.nordkirche.de - Stabsstelle Prävention - Fachstelle der Nordkirche gegen sexualisierte Gewalt.

una@wendepunkt-ev.de - UNA - Unabhängigen Ansprechstelle in der Nordkirche, Telefon 0800-0220099 (kostenfrei & anonym)

beratung@hilfetelefon-missbrauch.de - Hilfetelefon Sexueller Missbrauch, Telefon 0800 - 22 55 530 (kostenfrei & anonym)

Im Raum Schleswig: Anlaufstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Schleswig, Telefon 0174-250 4 880, E-Mail anlaufstelle@kinderschutzbund-sl-fl.de

Im Raum Flensburg: WAGEMUT, Beratung für Kinder und Jugendliche bei sexualisierter Gewalt, Telefon 0461- 90 92 630, E-Mail:  flensburg-wagemut@profamilia.de, www.profamilia.de/flensburg-wagemut