Diskussionsabend in der Campelle: Im Vordergrund: Popkantor Patrick Zindorf

Gegen Pushbacks und für mehr Nächstenliebe

24.09.2022

„Es geht auch um Augenkontakt und um Freundschaft, nicht nur um Bildung und Entwicklung. Menschen, die ihr zuhause verlassen, sind wirklich in großer großer Not“, sagt Ute Boesche-Seefeldt. Sie arbeitet an der Flensburger Europa-Universität mit Student*innen, die geflohen sind und kennt zahlreiche Fluchterlebnisse aus direkten Erzählungen. Und sie war eine der Teilnehmer*innen des Diskussionsabends am Donnerstag, 22.9.2022 in der Campelle. Die Veranstaltung begleitete die Ausstellung „Grenzerfahrungen“; dazu hatten sich knapp 30 Studierende und Interessierte zusammengefunden.

Die Leitfragen der Diskussion: Was können wir dazu beitragen, dass geflohene Menschen gut hier ankommen und sich integrieren können? Und was können wir tun, um die Situation für Menschen auf der Flucht an den Außengrenzen zu verbessern?

Zur Eröffnung des Abends stellte der neue Popkantor des Kirchenkreises, Patrick Zindorf, sein selbst geschriebenes Lied „Nächstenliebe“ vor. Seine Botschaft wird im Refrain deutlich: „Würden wir uns an die Gebote halten, wäre die Welt ein besserer Ort; würden wir uns an Gottes Wort halten, gäbe es weder Vertreibung noch Mord“.

Die harten Fakten, die Milad Assad von der Arbeitsstelle Flucht der Ev. Kirche anschließend vorstellte, zeigten eine andere Wirklichkeit: Derzeit sind 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Das sind mehr als je zuvor. Seit 2014 sind fast 25.000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken – auch wegen der so genannten Pushbacks, mit denen die EU die Grenzen abschottet. Geflüchtete werden daran gehindert, ihr Recht auf Asyl überhaupt wahrzunehmen, indem sie an den Außengrenzen gewaltsam zurückgedrängt werden. Diese Praxis wird von Deutschland mitfinanziert.

Die Hauptgründe, warum Menschen ihr zuhause zurücklassen und flüchten, sind Krieg, Gewalt, Konflikte, Klima, Armut und Hunger. „Klima, Armut und Hunger sind allerdings nicht als Asylgründe anerkannt“, erklärt Susanna Frisch von der Arbeitsstelle Flucht der Ev. Kirche in der Diskussion. Am häufigsten verlassen Menschen aus Syrien, Somalia, Südsudan, Irak und dem Jemen ihr Land. Die meisten Geflüchteten weltweit bleiben innerhalb ihrer Länder. Lediglich 4% derjenigen, die aktuell fliehen, kommen in Europa an, führte Milad Sadat aus.

Um geflohenen Menschen, die in Flensburg ankommen, ein warmes Willkommen zu bereiten, gibt es verschiedene Projekte, in denen man sich engagieren kann. Zum Beispiel gehören die „Campusfriends“ dazu: Hier verbringen Menschen gemeinsame Zeit mit geflüchteten Student*innen, helfen beim Ankommen im Alltag und bauen persönliche Beziehungen auf. „Es geht um Augenkontakt und um Freundschaften“, sagt die Koordinatorin Ute Boesche-Seefeldt. Und Stadtpastor Johannes Ahrens, der im Vorstand der Flüchtlingshilfe mitarbeitet, ergänzt: „Aauch die Flüchtlingshilfe Flensburg e.V. hat zahlreiche Angebote für Ehrenamtliche, die Geflüchtete unterstützen möchten.“

Sich aktiv für die Menschen einzusetzen, die an den Außengrenzen scheitern, sei allerdings wesentlich schwieriger, stellten verschiedene Teilnehmer*innen in der Diskussion fest. Die Pastorin der Ev. Studierendengemeinde, Katja Pettenpaul, sagt: „Ein erster Schritt ist wahrzunehmen, dass jeder einzelne Mensch, der flieht, in großer Not ist – niemand verlässt freiwillig sein Land. Es geht um Mitgefühl und Nächstenliebe.“ Und sie appelliert: „Unser Lebensstil trägt bei, dass Menschen wegen Klimaveränderungen fliehen müssen. Hier kann jeder und jede etwas verändern.“

Zum Abschluss der Ausstellung lädt St. Nikolai Flensburg am Südermarkt am Sonntag, 25.9.2022 um 9.30 Uhr zum Finissage-Gottesdienst ein. Diesen gestalten Stadtpastor Johannes Ahrens, Susanna Frisch von der Arbeitsstelle Flucht und Kirchenmusikdirektor Michael Mages gemeinsam.