Kleine Auszeit: "Exzess der Liebe"

08.04.2024

Kleine Auszeit von Johannes Ahrens, Stadtpastor in Flensburg

Während die einen nicht wissen, wie sie bis zum Monatsende durchkommen sollen, zerbrechen sich die anderen den Kopf, wie sie nicht benötigtes Geld möglichst gewinnbringend anlegen könnten. Rund 30.000 Menschen haben im letzten Jahr allein in Schleswig-Holstein eine Schuldnerberatungsstelle aufgesucht - so war gestern hier zu lesen. Im gleichen Zeitraum stieg der DAX um fast 20%. Überfluss und Mangel liegen nahe beieinander.

Als die Jünger mitbekommen, wie eine unbekannte Frau Jesus mit Salböl im Wert etwa eines Mittelklasseautos übergießt, regen sie sich auf. „Verschwendung!“ rufen sie und finden: „Das Geld hätte man besser den Armen geben sollen“. Jesus aber nimmt die Frau und ihr Verhalten in Schutz: „Sie hat ein gutes Werk an mir getan.“

Bis heute fällt es vielen Menschen leichter, das Ausgabeverhalten anderer zu kritisieren als das eigene zu ändern. Und umgekehrt hatte Jesus ja keinem seiner Jünger verboten, großzügig zu spenden.

Klar: Armutsbekämpfung bleibt eine Daueraufgabe, wichtiger denn je, und Schuldnerberatungsstellen benötigen dringend mehr Personal.

Und doch lehrt mich die unbekannte Frau: Gerade in Krisenzeiten ist der Luxus liebevoller Gesten unverzichtbar. Sich und anderen Gutes zu tun, sogar buchstäblich „Überflüssiges“ zu gönnen, und so Kraft zu tanken für den Weg. Damals stand Jesus unmittelbar vor seiner Kreuzigung.

Sich zu verschwenden, wäre demnach höchst verantwortlich. Oder: Je ernster die Lage, desto größer sollte der Exzess der Liebe sein.