Mahela Reichstatt an der Orgel im Shangai Oriental Art Center, Herbst 2017

Kirchenmusik als Berufung

25.02.2021

Temperamentvoll, energiegeladen und dankbar: So hat Mahela T. Reichstatt im Februar ihren Dienst in Schleswig begonnen. Sie ist die neue Kantorin und Organistin am Schleswiger Dom und von Herzen dankbar, diese - wie sie sagt - „großartige Stelle“ bekommen zu haben.

Auf das Bewerbungsprocedere blickt sie mit Freude zurück. Nach der schriftlichen Bewerbung und dem Vorstellungsgespräch galt es, fünf Arbeitsproben abzugeben: Innerhalb von 48 Stunden hat sie je eine Chorprobe mit dem Schleswiger Domchor, dem Kinderchor und der Domkantorei geleitet, einen Gottesdienst begleitet und zum Schluss ein Konzert gegeben – und das an unterschiedlichen Orten, weil der Schleswiger Dom wegen Bauarbeiten geschlossen ist. Für Mahela T. Reichstatt war dieser musikalische Marathon nicht anstrengend. Sie sagt: „Das war ein super Wochenende, für das ich dankbar bin.“

Dankbarkeit empfindet sie immer wieder, wenn sie auf ihr 31 Jahre junges Leben zurückblickt und beginnt gleich bei ihrer Geburt: Am Tag des Mauerfalls geboren zu sein, empfindet sie als Glück, denn dieser Geburtstag hat ihr tolle Erlebnisse beschert: Am 9.11.1999 wurde sie zum 10-jährigen Jubiläum des Mauerfalls nach Weimar eingeladen. Zehn Jahre später saß sie an ihrem Geburtstag zwischen Reichstag und Brandenburger Tor an einem Flügel, um die Berliner Jubiläumsfeier zum Mauerfall musikalisch zu begleiten – und landete so per ZDF-Liveübertragung in vielen Millionen Haushalten auf dem Fernsehbildschirm. Den 25. Geburtstag verbrachte sie musizierend bei der Gedenkveranstaltung im Landtag von Baden-Württemberg und am 9.11.2019 gab sie als Geburtstagskind ein Konzert in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

Überhaupt ist Musik ihr Leben: Mahela Reichstatt ist in einem sehr musikalischen Elternhaus in Korb bei Stuttgart aufgewachsen, mindestens zwei Instrumente gehörten per elterlicher Definition einfach dazu. Mit vier Jahren begann Mahela, Flöte zu lernen, mit sechs folgte Klavier, mit neun Trompete – im CVJM-Posaunenchor, in der Musikschule und in der Big Band. Im Alter von zwölf Jahren entschied sie sich zusätzlich für die Orgel als Instrument. Tägliches Üben waren keine Last, sondern Lust für sie.

Bis zu ihrem 16. Lebensjahr gab es aber eine noch größere Leidenschaft als die Musik: Das Fußballspielen. Dennoch kam eine Karriere als Fußballerin nicht in Frage, auch wenn ihr Talent nach Einschätzung einiger Trainer locker gereicht hätte und sie mehrmals zu Talentsichtungen eingeladen war. Statt sonntags zu Turnieren zu reisen, begleitete sie ihre Eltern zum Gottesdienst und musizierte, um sich dann beruflich doch für die Musik zu entscheiden. „Ich hätte allerdings nichts dagegen, an meinem neuen Wohnort Schleswig begeisterte Fußballer zu finden, die ab und zu mit mir kicken.“, sagt die neue Dom-Organistin.

Mahela Reichstatt hat ein Staatsexamen in Musik und Französisch für Gymnasiallehramt in Stuttgart absolviert, parallel Bachelor Kirchenmusik B. Nach Stipendienaufenthalten in Lyon, Toulouse und Wien hat sie 2019 ihren Master Orgel an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg mit sehr gut bestanden. Corona-bedingt steht die letzte Prüfung – die Aufführung des Oratoriums Elias von Mendelssohn-Bartholdy – im Studiengang Master Kirchenmusik A noch aus. Und sie ist derzeit im Studiengang Konzertexamen Orgel in Hamburg eingeschrieben. Neben Konzerten, in denen sie als Organistin, Pianistin und Dirigentin auftritt, musiziert sie auch gerne als Jazz-Pianistin bei Festivitäten sowie solistisch mit der Trompete.

Einer der Höhepunkte ihrer Ausbildungszeit: Der Internationale Orgelwettbewerb 2017, bei dem sie als eine von fünf Organist*innen weltweit teilnehmen und unter anderem ein Konzert an der fünf-manualigen Rieger-Orgel im Shanghai Oriental Art Center spielen durfte.

Die junge Kirchenmusikerin freut sich sehr auf ihre vielfältigen Aufgaben in der Gemeinde Schleswig sowie auf zahlreiche Begegnungen. Besonders fiebert sie dem Herbst entgegen, weil dann der Dom fertig renoviert ist und sie endlich „ihre“ Domorgel spielen darf. Und sie hofft, dass die Corona-Regeln bis dahin so gelockert sind, dass sie zusammen mit ihren Chören große Chorprojekte in Angriff nehmen kann – zwei Gründe, dann erneut dankbar zu sein.