Kleine Auszeit: "Derzeit"
12.01.2024
Kleine Auszeit von Johannes Ahrens, Stadtpastor in Flensburg
„Geben ist seliger denn Nehmen“. So steht es auf der Kollektenschale meiner ehemaligen Landgemeinde. Derzeit leuchtet mir das Bibelzitat besonders ein. Denn wer versucht, für sich selbst immer nur das Maximum herauszuholen, lässt für alle anderen nur eines übrig: das Minimum.
Der Praxistest an der Kasse zeigt: Die wenigsten Verbraucher sind bereit, für Lebensmittel den wirklichen Preis zu bezahlen. Also werden die versteckten Kosten auf andere abgewälzt: Die Landwirte, die Umwelt, den Rest der Gesellschaft.
Nicht anders verhält es sich bei massenhafter Steuerflucht von manchen großen Unternehmen. Damit entziehen sie der Gesellschaft genau die Mittel, die für unsere gemeinsame Zukunft so dringend nötig wären: Investitionen in Bildung, Gesundheit oder Kultur. Und untergraben damit zugleich die Demokratie.
Ebenso geht es in einer endlichen Welt schon rein rechnerisch nicht auf, mehr Ressourcen zu verbrauchen als in derselben Zeit nachwachsen können.
Die Herausforderungen sind gewaltig. Und das auf vielen Feldern gleichzeitig. Da ist es verständlich, wenn sich Müdigkeit und Wut breitmachen. Dabei erproben Menschen längst zukunftsweisende Wirtschaftsmodelle, auch in unserer Region. In Bilanzen fließen dann zum Beispiel ökologische und soziale Aspekte mit ein; „Gemeinwohl-Ökonomie“ nennt man das. Und die vielversprechenden Vorschläge der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ liegen schon lange auf dem Tisch. Auf dem Kreiserntedankfest haben wir bereits 2022 darüber - ziemlich einvernehmlich übrigens - diskutiert. Flächengebundene Direktzahlungen zukünftig einzustellen oder eine Steuer auf Zucker, Salz und Fett zu erheben, sind da nur zwei von vielen Ansatzpunkten. Es ist an der Zeit zu geben. Zu investieren: Geld auch, vor allem aber sich selbst. Das wäre lebensdienlich, zukunftsträchtig und wohltuend. Jesus würde sagen: seligmachend.