© Marcus Friedrich

Kleine Auszeit: "Die Natur, unsere Schwester!"

13.09.2025

Kleine Auszeit von Dr. Marcus Friedrich, Pastor an St. Nikolai in Flensburg

Die Natur, unsere Schwester!

800 Jahre Sonnengesang des Franziskus

Kann man mit Vögeln sprechen? Hören sie zu, wenn man ihnen Geschichten erzählt? Franziskus von Assisi jedenfalls, der berühmte Begründer der Franziskaner, war davon überzeugt, und er tat es. So jedenfalls erzählen es die Legenden um ihn. Unzählig sind die Bilder, in der Kunstgeschichte, auf denen er unter einem Baum steht, in die Zweige schaut und einem Schwarm Vögel predigt.

Franziskus lebte von 1182 bis 1226, ein kurzes, schönes und hartes Leben als sogenannter "minderer Bruder". Der Sohn eines reichen Tuchhändlers aus der italienischen Stadt Assisi verbrachte nach einer Zeit als Soldat ein Jahr in Gefangenschaft. Danach trat er ein entschiedenes, neues Leben in der Nachfolge von Jesus Christus an: Er verzichtete auf jegliches Eigentum, lebte in Armut von der Hand in den Mund und kümmerte sich um die Aussätzigen und Ausgestoßenen der Gesellschaft. Bruder Franz holte sich Kraft dafür, indem er sich mit der ganzen Schöpfung, mit der Natur verband. Regelmäßig zog er sich zurück in die Berge von Assisi und blieb dort nach den Strapazen seines sozialen Engagements, um sich im Gebet und in der Ruhe zu erholen, mit "Bruder Sonne", "Schwester Mond", mit "Bruder Feuer" und "Schwester Wasser" und mit „Schwester Mutter Erde“. Mit allen Elementen, mit allem Leben fühlte er sich verbunden. 1225 verfasste er einen Text, der einer der wichtigsten Gebete der Weltgeschichte wurde. Es besingt in einzigartiger Weise die Harmonie von Natur und Mensch als einem großen, gemeinsamen Lob Gottes: der Sonnengesang.

Der Sonnengesang des Franz von Assisi ist in diesem Jahr 800 Jahre alt. Das erstaunliche ist, Franziskus hat ihn 1225 zur Sprache gebracht, als er schon sehr krank und beinahe blind auf seinem Krankenlager herumlag und dem Ende entgegen sah. Der Mönch war in der Lage, alle Bilder der Schöpfung so in sich selber wachzurufen, dass sie ihm immer noch zum Lob und Dank an Gott dienten in einer scheinbar ausweglosen Situation. „Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Feuer, durch den du die Nacht erhellst. Und schön ist er und fröhlich und kraftvoll und stark.“

Allen, die in verdunkelten Krankenzimmern liegen wie Franziskus, aus welchen Gründen auch immer – ich denke in diesen Tagen insbesondere an Menschen, die vom Chronischen Fatigue Syndrom betroffen sind und zum Beispiel kein Tageslicht ertragen –  wünsche ich, dass ihnen ein Zipfel der Erinnerung an die schöne Natur hilft, trotz allem etwas Gutes am Leben in sich aufzurichten und zu spüren, mit Franziskus und mit Gott.

Marcus Friedrich

Pastor an St. Nikolai in Flensburg