Kleine Auszeit: "(K)ein Grund zur Freude?"
01.09.2023
Kleine Auszeit von Pastor Hartwig Freese, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Hollingstedt
In meiner Kindheit in den 90er Jahren war die Ostsee weder besonders verunreinigt noch besonders warm. So war es zumindest in meiner Erinnerung. Kindheitserinnerung an den Warnemünder Fischmarkt mit seinen vielen Ständen, hinter denen die Fischkutter lagen. Kindheitserinnerungen, in denen die Ostsee nur wenige Wochen im Sommer (halbwegs) warm war.
„Ist die Ostsee noch zu retten?“ lese ich dieser Tage. Es drohe ein totes Meer. Verschmutzt, überfischt, zu warm.
Das macht mir Angst, nicht nur, weil ich Ostsee wie Nordsee liebe, sondern auch, weil ich mir als junger Vater natürlich intakte Meere wünsche für die heute noch Lütten. Und ja, ich wünsche mir auch die Aussicht auf das eine oder andere Fischbrötchen mit Fisch, der nicht irrsinnig viele Kilometer transportiert wurde. Im Grunde wünsche ich mir für mein Kind das, was ich aus meiner Kindheit kenne. Das ist doch nicht verwunderlich.
Und doch ist die Wirklichkeit eine andere: Sich erwärmende Meere, zunehmende Verschmutzung, kippende Ökosysteme. Kein Grund zur Freude!
Gleichzeitig lädt mich das zunehmend warme beziehungsweise länger anhaltend warme Meereswasser zu meinem Hobby ein, dem Schwimmen. Darf ich das dann noch genießen? Ja, das darf ich. Ein Grund zur Freude, zugegeben mit bitterem Beigeschmack. Denn die Gründe, warum das möglich ist, die sind nun mal schlichtweg besorgniserregend.
Was aber wäre ein Leben ohne Freude und ohne Genuss? Was wäre das für ein Leben, in dem man sich nicht mehr erfreuen darf und stattdessen in traurig-depressiver Verstimmung versinkt angesichts der Krise, die ja eben auch Wirklichkeit ist?
Düster mag die Zukunft erscheinen, ja, nicht einladend. Aber deshalb leben als ob es kein Morgen gäbe? Alles mitnehmen, solange es geht, so nach dem Motto: Yolo – you only live once?!