Kleine Auszeit: "Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt."
12.12.2025
Kleine Auszeit von Pastor Dr. Marcus Friedrich, St. Nikolai Flensburg
Neulich fragte mich ein Mensch, der in der Endphase Krebs hat, ums Leben ringt und dem Tod entgegen geht, ob er denn wieder beten dürfe. Wieso denn nicht, erwiderte ich. Naja, sagte er, ich meinte doch so lange, ich würde ihn nicht brauchen und habe echt lange nicht mehr mit ihm gesprochen. Und wir beide wussten, dass er Gott mit "ihm" meinte. Immer, sagte ich, immer kannst du wieder anfangen damit. Gott ist nicht einer, der sagt, jetzt brauchst du nicht mehr kommen. Jedes unterdrückte Gebet ist zu viel Zurückhaltung. Beten beginnt damit, Gottes geöffneten Arme für dich wieder zu sehen - das ist ein Bild, natürlich.
Aber wie ist das mit einer Umarmung? Muss nicht auch der, der umarmt werden will, die Arme öffnen, damit das Gegenüber versteht, was er braucht? Meine Frage an uns: Wo und wann bist du dran, deine Arme zu öffnen, damit ein anderer dich umarmen kann? Wo bist du verschlossen, hast du dicht gemacht?
Martin Luther hat den Menschen, der die Arme nicht mehr aufbekommt, als homo incurvatus in se, als in sich "eingekurvten", verschlossenen Menschen bezeichnet. Das, so sagte er, ist die eigentlich Sünde, dass wir die Arme nicht mehr geöffnet bekommen, warum auch immer: Kann alleine. Brauch dich nicht. Bin beleidigt, um nur ein paar bekannte Gründe zu nennen.
"Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt." So heißt eine der wichtigsten biblischen Aussichten, die zur Adventszeit gehören, vom Propheten Jesaja, Kapitel 60,1. Das Bild hat einen wunderbaren Doppelsinn. Sich auf zu machen, das heißt zum einen auf den Weg zu gehen und es heißt zum anderen, sich zu öffnen. Könnte also Sinn machen, sich in diesen dunklen Tagen der Einkehr aufmerksam zu fragen: Wo möchte ich mich eigentlich auf machen, auf den Weg gehen und öffnen, dass ein anderer, eine andere sich zu mir und für mich aufmacht in Liebe? Sich aufzumachen ist möglich und nie zu spät, denn Gott, das göttliche Licht kommt uns entgegen - mit geöffneten Armen.
Pastor Dr. Marcus Friedrich, St. Nikolai Flensburg