Foto: Michael Carruth / unsplash

Kleine Auszeit: "Meine Wahrheit, deine Wahrheit?"

23.02.2024

Kleine Auszeit von Pastor Christoph Tischmeyer, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Angeln-Süd

Der Begriff „Wahrheit“ ist auf den Hund gekommen. Die AfD überschreibt ihre Kampagnen, die mit Lügen und Halbwahrheiten arbeiten, gern mit der Überschrift „Mut zur Wahrheit“. Der Medienkanal von Donald Trump heißt „truthsocial“, obwohl dieser bisher weder durch Wahrhaftigkeit noch durch soziale Kompetenz aufgefallen ist, sondern in erster Linie durch Hass. Aber Hass und Wut sind wohl kaum die neue Wahrheit.

Überhaupt scheint sich die altehrwürdige Frage, was „wahr“ sei, zunehmend aufzulösen. Immer öfter bekommt man zu hören: „Das ist meine Wahrheit, du hast deine.“ Aber meinen wir damit nicht eher unsere Meinung oder Sichtweise? Offenbar sind wir es müde, uns darüber zu verständigen oder gar auseinanderzusetzen.

Was gilt denn jetzt? Die Antwort scheint immer öfter: Alles gilt, nebeneinander. Also eigentlich: Nichts gilt mehr. Es gibt keine allgemeingültige Wahrheit. Da lacht der Diabolos, der „Durcheinanderwerfer“.

Ich behaupte: Wir hätten gern Zugang zu einer allgemein gültigen Wahrheit. Aber wir finden sie gewiss nicht in Hetzreden und Parteiprogrammen. In besonderen Situationen und Momenten erkennen wir etwas von der unauslotbaren Tiefe unseres Daseins. Uns werden verborgene Zusammenhänge klar. Wenn wir gelernt haben, nicht allzu sehr um unser Ego zu kreisen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir Anteil an „der Wahrheit“ gewonnen haben. So geht es auch den Gläubigen aller Religionen: Sie gewinnen Anteil an der Wahrheit. Jede Lehre enthält einen Teil Wahrheit, aber die ganze Wahrheit ist immer viel größer. Niemand kann die ganze Wahrheit für sich allein beanspruchen. Nur hier und da lüftet sich der Schleier, und wir lieben und erkennen wirklich.

Wir können nur gut leben, wenn wir unserem Dasein einen tieferen Sinn abringen können. Der Apostel Paulus schreibt - schön bodenständig - in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi: „Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein Lob – darauf seid bedacht!“ (Phil 4,8)