Bild: Petra Lüthi, 2019

Kleine Auszeit: "Spaltbreit Hoffnung"

22.12.2023

Kleine Auszeit von Pastorin Iris Rönndahl, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Großenwiehe

Bei uns war es üblich, nach dem Spaziergang an der Aussenmühle, dem Besuch des Krippenspiels, Geschichten vorzulesen, bevor das Glöckchen zur Bescherung läutete. Die heilige Nacht von Selma Lagerlöf ist mir so in Leib und Blut eingeflossen, dass ich sie den Kindern in meiner Gemeinde so erzählte, dass sie dachten, das wäre die wahre Weihnachtsgeschichte. Die Religionslehrerin fragte an, warum diese Nacht so anders ist, das Hunde nicht beißen, Schafe nicht erschrecken, die Lanze nicht tötet und das Feuer nicht verbrennt.

Ich höre den letzten Satz, von meinem Vater gesprochen: „Dies sollst du dir merken, denn es ist so wahr, wie das ich dich sehe und du mich siehst. Nicht auf Licht und Lampen kommt es an und es liegt nicht an Mond und Sonne, sondern was Not tut, dass wir Augen haben, die Gottes Herrlichkeit sehen können.“

Für mich als Kind war die Herrlichkeit Gottes, der Weihnachtsbaum, die Bescherung, die Spiele und die Familie. Die Herrlichkeit Gottes in späteren Jahren ein verschneiter Waldweg, dass Besteigen eines Berges, ein Spaziergang am stürmischen Ostseestrand. Heute ist es: Ich will vertrauen können, keine Angst mehr haben, dass jemand Vertrauen ausnutzt. Keine Angst haben vor der Nacht, vor meinen Gedanken, vor bösen Menschen, noch vor einer 4° wärmeren Zukunft. Es soll alles schlicht und wesentlich sein, damit ich hinterher kommen kann mit meiner Seele.

Gott selbst ist ein Kind, sehnsüchtig nach Liebe. Ein niemand von Niemandseltern, geboren inmitten von Tiergeruch aufgewachsen. Das Kind berührt Augen, Ohren und Seelen von lauter Leuten, die nicht dazugehören, Teil seiner Familie - seiner Gottesfamilie sind. Und da sind sie die Gotteskinder der Krankenpfleger, erschöpft und ausgelaugt. Die palästinensischen Kinder geopfert von Terroristen, weil sie deren Schulen als Versteck benutzten, die Frauen im Iran und Afghanistan zum Schweigen gebracht, die Kriegsopfer in der Ukraine und Israel. Sie alle sind deine Geschwister, meine Geschwister sind wertvoll, würdevoll, klug, schön, wichtig und unverzichtbar, gleichzeitig sehnsüchtig und überfordert. Nicht auf Licht und Lampen kommt es an und es liegt nicht an Mond und Sternen, sondern was Not tut ist, deine Familie zu erkennen, dass wir Augen haben, damit ein Spaltbreit Hoffnung spürbar wird.