Thouraya Al-Janabi, Initiatorin des öffentlichen Fastenbrechens auf dem Flensburger Südermarkt | Foto: Obada Altanani (Flüchtlingshilfe Flensburg)

Kleine Auszeit: "Vorgeschmack"

13.04.2024

Kleine Auszeit von Johannes Ahrens, Stadtpastor in Flensburg

In meiner Seele klingt ein besonderer Abend nach. Letzten Sonntag haben rund 1000 Menschen gemeinsam gegessen. Das kommt nicht oft vor. Vor allem nicht in dieser Zusammensetzung: Familien und Alleinstehende, Kinder und Alte, Trinker von der Plattform und Repräsentanten aus Stadt und Gesellschaft waren zum „Iftar“, dem abendlichen Fastenbrechen im Islam, zusammengekommen.

Eingeladen hatten unter anderem die Flensburger Flüchtlingshilfe und der Afghanisch-Deutsche Kulturverein. Schon nachmittags begann die Verwandlung des Südermarktes. Ehrenamtliche stellten Bänke und Tische auf, von Rathaus, Kirchengemeinde und Kulturbaustelle beigesteuert. Punkt 20.20 Uhr, zum Sonnenuntergang, ging es los: mit einem gesungenen Gebet. Während des Fastenmonats Ramadan wird erst bei einsetzender Dunkelheit wieder gegessen. Wie köstlich die mitgebrachten Speisen waren!

Das Fasten ist vielen Religionen geläufig - Christin:innen etwa begehen ihr Fastenbrechen zu Ostern nach sieben langen „Wochen ohne“. Bewusster Verzicht an einer Stelle könnte einen unverhofften Gewinn an einer anderen generieren: eine uralte und universale Ahnung. Auch das gemeinsame und geteilte Essen gehört zu den spirituellen Kulturgütern unseres Planeten. Es hält Leib und Seele zusammen, wie es trefflich heisst - so wie es auch Menschen in ihrer Verschiedenheit untereinander und mit Gott verbindet. Nahrungsmittelhilfen gehören zu den grundlegenden humanitären Gesten, sogar über verfeindete Parteien hinweg. Und - wer weiß - vielleicht hat so manches Staatsbankett Kriege abwenden können.

„Als sie Gott geschaut hatten, aßen und tranken sie“, berichtet die Bibel, und die ehemaligen Weggefährten erkennen den auferstandenen Jesus in just dem Moment wieder, als er das Brot bricht und das Tischgebet spricht. Ob damals in Emmaus, letzte Woche auf dem Südermarkt oder jetzt am Sonntag beim Abendmahl rund um einen Altar: Ein himmlischer Vorgeschmack auf Frieden.

Foto: Obada Altanani (Flüchtlingshilfe Flensburg)