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Kleine Auszeit: "Zueinander finden"

14.04.2023

Kleine Auszeit von Pastor Philipp Reinfeld, Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Petri Flensburg und Eckener Schule Flensburg

Ich stand vor der Kirche bei meinem Fahrrad. Wir hatten einen Gottesdienst vorbereitet. Eine Mitwirkende erzählte von „Klimaklebern“ im Elbtunnel. Schon waren wir mitten in der Diskussion.

Ich erlebe häufig solche Gespräche. Meist sind sie weder sachlich noch ausgewogen – eher laut und verletzend. „Klimakleber“ lässt sich durch andere Reizworte ersetzen. Zum Beispiel lässt es sich über Coronamaßnahmen oder Waffenlieferungen in die Ukraine wunderbar streiten.

Jede und jeder hat dann gute Argumente zur Hand. Aber die Quellen stellen wir gegenseitig in Frage: „Fake News“ oder „Lügenpresse“ - beeinflusst, gekauft oder unterwandert von Industrien, dunklen Mächten und Geheimdiensten. Tatsächlich frage ich mich manchmal, wem ich noch vertrauen kann.

Wie finden wir wieder zueinander? Diese Frage ist alt wie die Menschheit, aber gerade stellt sie sich verschärft. Von vielen Kanzeln wird morgen über Jakobs Kampf am Jabbok (1. Mose 32,23-32) gepredigt. Jakob ist verstrickt und zerstritten – wie Menschen es sind. Mitten in der Nacht ringt Jakob mit einem unbekannten Gegner. Jakob lässt sich nicht unterkriegen. Selbst nach einem unfairem Schlag auf die Hüfte, bleibt er dran. Im Morgengrauen fordert Jakob von seinem Gegner, gesegnet zu werden. Jakob braucht sein Wohlwollen.

Mich beeindruckt, dass Jakob dranbleibt. Er lässt seinen Gegner nicht davonkommen. Am Ende fordert er, Gutes zugesprochen zu bekommen - und bekommt es auch. Der Kampf am Jabbok verändert Jakob, den Ort des Kampfes und sicherlich auch Jakobs Gegner.

Mein Traum für unsere Gesellschaft ist es, dass wir jenseits von Filter-Blasen um die Wahrheit ringen, die eigene Unzulänglichkeit und Unwissenheit eingestehen, über Verletzungen hinwegkommen und uns am Ende Gutes zusprechen. Heute wie damals.