Foto: Silke Wierk

Wort zur Woche: "Am Ende steht ein Anfang"

19.11.2021

Wort zur Woche von Pastorin Silke Wierk, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Harrislee

Eine Sterbebegleitung. Eine Frau, alt geworden, und müde, sie mag nicht mehr. Alles tut ihr weh. Sie träumt viel in ihren letzten Tagen. Einmal ist sie in der Altstadt in Flensburg. Ein Altbau wird abgerissen, ein Neubau entsteht. Eingerüstet, aber das Gerüst ist ganz unsicher und wackelig. Ein junger Mann macht sich an den Aufstieg. „Wenn er das kann, kannst du auch“, sagt sie sich. Aber dann wird ihr mulmig, und sie kehrt wieder um.

Diesen Traum träumt sie oft. Sie findet damit Bilder für ihr Sterben – ihr altes Leben vergeht, Neues entsteht. „Siehe, ich mache alles neu!“, heißt es in der Bibel. Sonntag wird der Satz wieder in den Kirchen vorgelesen. 

Immer wieder ist die Frau in ihren Träumen unterwegs, mit dem Bus, mit der Bahn, mit dem Schiff. Die vielen Verkehrsmittel erinnern an ihre Flucht, die sie als junges Mädchen mitmachte; die Suche, wo und wie kann es weitergehen, wer hilft? Und es ist kein Wunder, dass sie Zeit braucht, bis sie dem Gerüst des Neubaus trauen kann. Sie hat früh erwachsen werden müssen. Zu viele dramatische Abschiede hat sie erlebt: der Verlust der Heimat und die vielen Verluste in ihrem Leben. Da trug nichts, da riss es ihr den Boden unter den Füßen weg.

Alle haben ihr gewünscht, dass sie es schafft, diese letzte Reise anzutreten. Ihr größter Wunsch ging in Erfüllung: zuhause sterben zu dürfen. Es war auch für die Familie eine schwere Zeit, aber sie konnten es möglich machen. Endlich hat sie den Schritt gewagt. Das Gerüst des Neubaus, es hat getragen.

„Und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein“, heißt es weiter in der Bibel. Gott selbst also. Pur und unverdünnt, nicht mehr in homöopathischen Dosen, in denen wir Gott hier auf Erden oft erleben, nur in Momenten spürbar und nie zu halten. 

Vor uns liegt die Adventszeit. Damit bricht nicht über Nacht eine heile Zeit an. Aber der Advent kann uns in der Hoffnung stärken, dass Gott selbst an unserer Seite ist.  Kann man dem trauen? Ja!