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Wort zur Woche: "Das ist doch selbstverständlich. – Nein, ist es nicht!"

30.09.2022

Wort zur Woche von Pastor Kai Hansen, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Haddeby

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich mich bei wem bedanke, mag ich ein „Das ist doch selbstverständlich!“ gar nicht so gern hören. Denn es ist ja nicht selbstverständlich, dass andere uns Gutes tun – und genau genommen ist gar nichts selbstverständlich, was uns guttut. 

Besonders dieses Jahr sehen ja alle, die bei Trost und Verstand sind: Es nicht selbstverständlich, dass Lebensmittel, Wasser und Energie zur Verfügung stehen und sogar bezahlbar sind. Auch nicht, dass Menschen – auf den Feldern, in den Ställen zumal – hart dafür arbeiten. Offensichtlich überhaupt nicht, dass Menschen im Frieden leben können, und dass Menschen, die das nicht können, woanders Zuflucht finden und Zuwendung. Oh, und es ist gar nicht selbstverständlich, dass ein Gemeinwesen funktioniert, dass Menschen dafür Verantwortung übernehmen und um gute Entscheidungen ringen (und dabei vielleicht auch „handwerkliche Fehler“ machen) – und dass man, wenn man dagegen demonstriert, von der Polizei sogar beschützt und nicht niedergeknüppelt wird. Es ist nicht selbstverständlich, unversehrt durch Corona-, Energie- und all die anderen Krisen zu kommen. 

Das alles ist nicht selbstverständlich. Und wir sollten nie meinen, wir hätten einen Anspruch darauf, nur weil wir in diesem privilegierten Teil der Welt leben dürfen. Es ist alles unverdient und Glück oder, ja: Gnade.

Also, von Herzen: Danke! An Menschen und an Gott. 

Und noch mehr als sonst schon immer wird das Erntedankfest dieses Jahr viel mehr sein als alte Tradition, nämlich immer beides: Danken und Denken, Klagen und Korrigieren, Segen und Sehnsucht, Teilen und Träumen.