Foto: Pastorin Anne Vollert

Wort zur Woche: "Das Recht auf schlechte Laune"

29.07.2022

Wort zur Woche von Pastorin Anne Vollert, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Süderbrarup

Darf ich als Christ, als Christin schlechte Laune haben? Biblische Beispiele für schlechte Laune sind rar. Aber im alttestamentlichen Buch der Könige, im 19. Kapitel, wird erzählt, dass der Prophet Elia in die Wüste ging und sich dort unter einen Ginsterstrauch setzte, um zu sterben. Was war geschehen? 

Elia hatte 450 Priester des Baal-Kultes hinrichten lassen. Einem Kult, dem die Frau des Königs anhing. Daraufhin hatte sie geschworen, ihn zu töten. Am Ende seiner Kräfte und depressiv flüchtet er in die Wüste und möchte sterben.

Ein von Gott berufener Prophet, der sterben will? Malen wollte das früher kaum jemand. Propheten dürfen nicht niedergeschlagen sein. Ebenso wenig wie wir modernen Menschen, die oft dem Gute-Laune-Terror ausgesetzt sind: Niedergeschlagenheit könnte zu viel von mir preisgeben – also die Lächel-Maske aufsetzen?

Ich möchte für ein Recht auf schlechte Laune plädieren. Unterstützung finde ich bei dem unterhaltsamsten Vertreter eines schwermütigen Charakters: Bernd, das Brot, ein Maskottchen des Kinderkanals. Seine Lieblingsbeschäftigungen bestehen unter anderem darin, das Muster der Raufasertapete auswendig zu lernen, Testbilder im Fernsehen zu schauen oder seine Sammlung der langweiligsten Eisenbahnfahrtstrecken zu erweitern. Bernd trinkt gerne lauwarme Mehlsuppe und verwendet sehr häufig inbrünstig den Ausdruck „Mist!“ 2004 erhielt er den Adolf-Grimme-Preis, weil – so die Jury – „Bernd, das Brot, das Recht auf schlechte Laune vertritt“ und „sich stellvertretend für uns dem Gute-Laune-Terror“ widersetze.

Mit Bernd, dem Brot für das Recht auf schlechte Laune zu plädieren, ist ein wenig widersprüchlich, weil man doch über ihn lächelt. Und das ist auch gut so. Jeder Mensch darf auch mal schlecht gelaunt sein, doch mit guter Laune ist das Leben viel schöner.