Wort zur Woche: "Fragil"

10.09.2021

Wort zur Woche von Johannes Ahrens, Stadtpastor Flensburg

Plötzlich waren da diese Zäune am Hafenrand des Flensburger Ostufers; 2005 muss das gewesen sein. Und auf einmal gehörte unser ansonsten eher beschauliche Hafen zu einer zertifizierten „sicheren Einrichtung“ nach ISPS-Code. Das Kürzel steht für INTERNATIONAL SHIP AND PORT FACILITY SECURITY. Dazu gehören auch Zugangs- und Sicherheitskontrollen, die es vorher so nicht gegeben hatte. Für mich eine der ersten vor Ort sichtbaren Folgen der Terroranschläge des 11. September 2001 mit seinen 3000 Toten und weiteren 3000 an den Spätfolgen Verstorbenen. Wohl über eine Millionen Menschen haben infolge des auf die Anschläge ausgerufenen „Kriegs gegen den Terror“ ihr Leben verloren. 

Heute, am 20. Jahrestag dieses Epochenumbruchs, ruft der Afghanisch-Deutsche Kulturverein in Flensburg für 16.00 Uhr zur Kundgebung auf dem Südermarkt auf. Es ist die Sorge um das Leben von Familienangehörigen und Freunden, um die Entwicklung ihres Heimatlandes, das sie umtreibt. Wer könnte je die Bilder von sich an Fahrwerken klammernde und aus Flugzeugen herabfallende Menschen vergessen? Oder jenes vom Baby, das über die Flughafenmauer Kabuls in fremde, aber sicher geglaubte Hände gereicht wird? Den Preis für das militärische Desaster zahlen wie immer die Schwächsten: die gefallenen Soldat*innen und Kämpfer, die Frauen und Kinder, mutige Demonstrant*innen, auch unabhängige Berichterstatter*innen. Ich werde heute nachmittag da sein. Und ich will diesen Jahrestag nutzen, um mir - vielleicht bei einem Spaziergang am Ostufer - vor Augen führen zu lassen, wie fragil unser Leben ist. Wie zerbrechlich der Friede. Wie gefährdet die Demokratie. Und wie schwer es ist, gewaltsamen Provokationen mit zivilen Mitteln zu antworten. Vielleicht mit „Fragile“ von Sting auf den Ohren: „Nothing comes from violence, and nothing ever could.“ Nichts ist je durch Gewalt entstanden, und nichts könnte je dadurch entstehen. Nach langem Zögern entschlossen sich seinerzeit Sting und seine Band das lang geplante Konzert zu geben, auf dem sie auch dieses Lied brachten - trotz der schrecklichen Ereignisse des Tages mit seinen damals und noch immer unabsehbaren Folgen. Es war der 11. September 2001.