Wort zur Woche: "Letzte Hoffnung Kirche"

27.08.2021

Wort zur Woche von Susanna Frisch, Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis

Im März 2017 erhielt ich einen Anruf meiner Pastorin :„Es kommt ein Mann zu uns, er braucht Hilfe, sonst wird er abgeschoben und es droht ihm der Tod. Kannst du mithelfen?“ Auf dem Weg zur Kirche wirbelten Gedanken durch meinen Kopf. Als Ehrenamtliche in der Arbeit mit Geflüchteten habe ich viel Schlimmes gehört, aber dass unser Rechtssystem so etwas zulassen würde, war für mich kaum denkbar. In den nächsten Monaten wurde ich eines Besseren belehrt. Wo Menschen arbeiten, geschehen Fehler. Es werden Einzelheiten übersehen. Das ist menschlich und entschuldbar. Leider ist unser europäisches Asylsystem in manchen Fällen jedoch so inhuman, dass ich mich als Christin nur gegen solche Bescheide stellen kann, um im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention bei drohendem Tod, Folter oder Verfolgung zu handeln. So wechselten wir uns ab, eine Gruppe von Menschen, die versuchten, Ablenkung zu schaffen für die schweren Gedanken des Mannes, die vor allem in der Nacht kommen, in der Einsamkeit, in der Verzweiflung, in der großen Angst vor der Zukunft und den Bildern im Kopf, die sich nicht vertreiben lassen. Wir lernten uns kennen, ohne gemeinsame Sprache. Wir kochten zusammen, spielten Boccia im Kirchgarten und versuchten, Hoffnung zu geben. Er ist ein gläubiger Christ, verrichtete nach kurzer Zeit Küsterdienste und half, wo er nur konnte. Die Gemeinde kannte ihn, er blieb still im Hintergrund, gehörte aber nach einigen Wochen fest dazu. Nach sechs langen Monaten des freiwilligen Eingesperrtseins durfte er einen Asylantrag in Deutschland stellen. Die Flüchtlingseigenschaft wurde ihm rechtmäßig zuerkannt. Wir haben immer noch Kontakt und meine Erfahrungen brachten mich zu meiner heutigen beruflichen Tätigkeit als Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises mit dem Schwerpunkt Kirchenasyl.