Foto: Courtney Cook | Unsplash

Wort zur Woche: "Nächtliches Werden" - mit Joh 3, 1-8

28.05.2021

Wort zur Woche von Pastorin Anne Vollert, Ev.-Luth. Kirchengemeinde Süderbrarup

Nachts kann man einfach besser reden. Wenn ich meine äußeren Sicherheiten verlassen kann. Ich erinnere mich gut an solche Gespräche: Am Strand unterm Sternenhimmel. Am Lagerfeuer, spät. Nachts kommen die Fragen. Nachts gehen wir auf die Suche. Man muss sich nicht ansehen. Die Gesichter sind nicht wichtig. Nur noch Worte und Stimmen im Dunklen. „Woher komme ich?“ – „Hat jemand mich lieb?“ – „Glaubst du an Gott?“

Der Tag weiß alles, muss alles wissen, ihm gehört der Verstand. Was uns wirklich bewegt, gehört in die nächtlich-verborgene Seite der Welt. Der Nacht gehört die Seele. Hier kommen die kleinen grauen Zellen an ihre Grenze. Der Kopf, der immer alles ganz genau wissen will, hat mal Pause. „Woher komme ich?“ – „Hat jemand mich lieb?“ – „Glaubst du an Gott?“ Wissen hilft da nicht weiter. Selbst Wunder und Zeichen, die vor Augen stehen, sie geben keine Gewissheit. Der Lebensgrund ist daran nicht zu spüren. Es sei denn, du wirst ein anderer.

Ein anderer. Eine andere. Wie oft bin ich schon anders geworden. Zwischen Glauben und Unglauben. Zwischen Einsicht und Zweifel. Zwischen himmlischer Liebe und irdischem Zorn. Ich wurde wer ich bin, aber die Gegensätze haben sich nicht geglättet. Immer noch erinnert die Nacht mich an das, was verborgen ist, was noch werden kann, auch mit mir. Mein Leben mit Anfang und Ende sind nicht in der Hand eines kalten Schicksals gefangen. Ich bin mit Lachen und Weinen, mit Niederlagen und Gelingen in Gott versteckt. Ich steh nicht im Bann meiner Herkunft. Ich bin getauft mit Wasser und Geist. Ich bin eingetaucht in das Versprechen jenes Sohns der Barmherzigkeit, das ich nicht verstehe. Es ist genug, dass dieser Sohn es versteht: Die Liebe zum Leben bringt Feuer und Wasser zusammen.