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Wort zur Woche: "Religiöse Abstandsregel"

23.07.2021

Wort zur Woche von Johannes Ahrens, Stadtpastor in Flensburg

Zu manchen Menschen reden Tiere, zu anderen spricht Gott. Vielleicht kommt Ihnen beides gleichermaßen verdächtig vor. Trotzdem gibt es etwa den entlaufenen Hund, der ein „Bild“ von sich samt der Kreuzung, an der er sich befindet, über tausende von Kilometern an seine Tierkommunikatorin schickt. Per Gedankenübertragung. Und daraufhin dank deren Ortsbeschreibung von Herrchen gefunden wird. Andere wiederum sind sich sicher, Gott selbst spreche zu ihnen. Als innere Stimme mit klaren Anweisungen, was zu tun sei. 

So etwas erstaunt mich. Gibt es doch ziemlich schmerzhafte Erfahrungen mit Menschen, die Botschaften direkt von Gott erhalten haben wollen. Nicht selten enden sie mit Mord- und Totschlag. Das ist schon in der Bibel so: Um ein Haar hätte Abraham seinen Sohn Isaak dem Moloch geopfert - auf Gottes Geheiß, wie er meint. Zum Glück erscheint in letzter Sekunde ein Engel. Oder Elia, der Gottesmann, der im Blutrausch 450 Andersgläubige niedermetzelt. Auch er war zuerst absolut davon überzeugt, das einzig Richtige zu tun. Hingegen: Dem neugeborenen Jesus und seinen Eltern rettet es das Leben, dass Vater Joseph in seinem nächtlichen Traum auf die Engelsstimme hört. 

Ich glaube, die Lebenswelten von uns Menschen und die der Tiere gehen ständig ineinander über - wie auch Gottes Sphären uns umhüllen. Wir teilen uns mehr voneinander mit, als wir vermuten. Oft unbewußt. Da ist es gar nicht einfach, die verschiedenen Stimmen zu unterscheiden. Von der Bibel lerne ich: Unbedingte Wahrheiten sind wie absoluter Gehorsam brandgefährlich. Wenn Gott spricht, dann eher zwischen den Zeilen. Als stilles sanftes Sausen, als schwebendes Verschweigen, als ahnendes Träumen. Übrigens: Auch das Schweigen Gottes verdient Respekt. Als eine Art religiöse Abstandsregel. Als Schutz vor dem Virus religiöser Vereinnahmung.